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Chronik der Griechenland-Rettung

Aktueller Stand

Sowohl die griechische Regierung, der deutsche Bundestag, als auch die europäischen Finanzminister haben grünes Licht für Verhandlungen zu einem dritten Hilfspaket gegeben. Das beinhaltet Gelder in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro, aber auch strikte Reformen. Die griechische Regierung muss an der frühen Verrentung ebenso ansetzen wie bei den Steuersätzen.

Die Banken haben mittlerweile wieder geöffnet und geben den Kunden wieder mehr Geld aus. Unterdessen konnte Griechenland durch eine Brücken-Finanzierung Milliarden-Schulden bei der EZB und dem IWF zurückzahlen. Bis 20. August möchte die griechische Regierung eine Einigung über das dritte Hilfspaket erzielen.

Freitag, 17.07.

Heute wird im Bundestag über das Hilfspaket abgestimmt. Gestern sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihren Fraktion und versuchte sich der Überzeugung. Auch wenn es in den Reihen der Union so manche Bundestagsabgeordnete gibt, die gegen ein drittes Hilfspaket sind: Die Mehrheit im Bundestag scheint sicher.

Unterdessen möchte Alexis Tsipras nach Medienberichten sein Kabinett neu besetzen. Nach Angaben des Spiegel fehlt ihm die Unterstützung von einem Viertel seiner eigenen Abgeordneten. Im Herbst soll es dann Neuwahlen geben.

Die Europäische Zentralbank hat nun die Nothilfen für griechische Banken erhöht. Diesen stehen nun 900 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Die Finanzminister der 28 EU-Staaten haben beschlossen, dass als Brückenfinanzierung bis August Gelder aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus fließen sollen. Dabei geht es angeblich um sieben Milliarden Euro, mit denen die griechische Regierung die fällig werdenden Schulden zurückzahlen soll.

Donnerstag, 16.07.

Finanzminister Wolfgang Schäuble steht mehr und mehr in der Kritik. Sein Vorstoß am vergangenen Wochenende, in welchem er einen Grexit auf Zeit anregte, bezeichnete er als mit der Bundesregierung abgesprochen. SPD-Chef Sigmar Gabriel aber kritisiert nun, das Konzept sei weder mit ihm, noch mit der SPD abgesprochen gewesen.

Heute sprach Schäuble in einem Radio-Interview erneut von dem Grexit auf Zeit, obwohl längst Abstimmungen zu einem neuen Hilfspaket laufen. Manche Medien vermuten, dass Schäuble nicht an eine Rettung Griechenlands und nicht an das dritte Hilfspaket glaubt und deshalb eigene Pläne forciert.

Mittwoch, 15.07.

Heute stimmt das griechische Parlament über das Hilfspaket ab. Ein Ergebnis ist bis 23 Uhr zu erwarten. Weil das Paket starke Reformen beinhaltet, ist es nicht selbstverständlich, dass Tsipras die Unterstützung der Opposition erhält. Darin enthalten ist unter anderem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, der Wegfall der Frührenten und höhere Steuern für Freiberufler und Villenbesitzer.

Dass Tsipras bei einer Ablehnung es Hilfspakets – er hatte beim Referendum ja selbst dafür geworben – zurücktritt, dementierte er vorerst. Er bezeichnete sich als “Kapitän auf einem Schiff in Schwierigkeiten, und das Schlimmste, was man tun könnte, wäre, das Schiff zu verlassen.” Vorgezogene Neuwahlen hingegen schloss er nach der Abstimmung nicht aus.

Am Freitag stimmt der Bundestag über das Hilfspaket ab. Dabei gilt als sicher, dass die große Koalition das Paket beschließen wird. Wolfgang Bosbach (CDU) kündigte an, erneut gegen das Hilfspaket zu stimmen – und daraufhin seine politische Zukunft zu überdenken.

Unterdessen wird es wohl noch dauern, bis die Banken in Griechenland wieder öffnen. Eine endgültige Einigung sei dafür entscheidend, so Tsipras, und die werde es “nicht vor einem Monat” geben.

Dienstag, 14.07.

Deutschland ist in der internationalen Medienberichterstattung nicht als Schlichter, sondern eher als Erpresser bezeichnet worden. Vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble kommt dabei nicht gut weg. Stark kritisiert wird – auch von Koalitionspartner SPD – sein Vorstoß, einen Grexit auf Zeit zu erwägen.

Schäuble betont nun, dieser sei mit der Bundesregierung abgesprochen gewesen und habe dort weiterhin mehrere Befürworter. Er verstehe deshalb nicht, weshalb das “hinterher zu irgendwelchen persönlichen Diffamierungen” genutzt werde.

Montag, 13.07.

Die Euro-Länder haben sich auf eine Lösung geeinigt. Erstmals wurde das heute morgen bestätigt, nachdem die Parteien die ganze Nacht verhandelten. Demnach soll es ein drittes Hilfspaket in Höhe von 82 bis 86 Milliarden Euro für Griechenland geben. Dafür verpflichtet sich die griechische Regierung zu strikten Reformen, vor allem was das Renteneintrittsalter sowie die Mehrwertsteuer angeht.

Euphorisch hören sich beide Seiten nicht an, da jeweils Zugeständnisse gemacht werden mussten. Bundeskanzlerin Angela Merkel begründet: “Die Vorteile einer Einigung überwiegen die Nachteile.” Die Einigung ist allerdings noch nicht tragfähig. Zunächst muss das griechische Parlament bis Mittwoch abstimmen. Dabei geht es darum, dass die Gläubiger und die griechische Regierung formell Verhandlungen aufnehmen.

Über den Inhalt dieser Verhandlungen haben sie aber in der vergangenen Nacht Einigkeit erzielt. Da die griechischen Oppositionsparteien Tsipras bereits ihre Unterstützung für die Verhandlungen zugesagt haben, gilt eine Bestätigung als wahrscheinlich. Im Anschluss stimmen auch andere EU-Parlamente über das Hilfspaket ab, ebenso der Bundestag. Auch hier gilt eine Zustimmung als wahrscheinlich – Merkel kündigte aber bereits an, die Vertrauensfrage nicht zu stellen.

EU-Kommisionschef Jean-Claude Juncker fasst die Stimmung der beiden Lager zusammen: “Ich denke nicht, dass das griechische Volk gedemütigt wurde, und ich denke nicht, dass die anderen Europäer ihr Gesicht verloren haben.” Ein Grexit sei nun “keine Option mehr.”

Sonntag, 12.07.

Der EU-Sondergipfel in Brüssel läuft. In diesen Stunden verhandeln die Regierungschefs der Euro-Zone. Ein wichtiger Punkt in den schwierigen Verhandlungen ist Vertrauen. Viele Euro-Länder trauen der griechischen Regierung nicht, was die Umsetzung strikter Reformen angeht. Deshalb wurde eine weitere Forderung in die Verhandlungen aufgenommen: Damit über ein drittes Hilfspaket verhandelt wird, soll Griechenland bis Mittwoch die Reformen zur Mehrwertsteuer und zur Rente per Gesetz festlegen.

Die Reformen sollen zudem stärker ausfallen, da die griechische Wirtschaft in der vergangenen Zeit weiter gelitten habe. Der Vorschlag von Schäuble, Griechenland könne für eine bestimmte Zeit aus der Euro-Zone austreten, wurde unter anderem von deutschen Oppositionsparteien scharf kritisiert.

Bekannt wurde nun, dass der gestrige Gipfel der Euro-Finanzminister in der Nacht auf heute hitzig endete. Die Welt berichtet, es soll eine Auseinandersetzung zwischen Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, und Wolfgang Schäuble gegeben haben. “Ich bin doch nicht blöd”, soll Schäuble Draghi auf eine Erklärung geantwortet haben.

Samstag, 11.07.

Das Angebot der griechischen Regierung wurde von Teilen der Gläubiger vorerst für gut befunden. Die griechischen Oppositionsparteien haben Tsipras für weitere Verhandlungen per Abstimmung den Rücken gestärkt. Doch allzu weit reichte die Harmonie in der Krise dann doch nicht.

“Auf dem Papier sind die Vorschläge nicht gut genug”, deutete der Euro-Gruppen-Chef Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem weiteren Verhandlungsbedarf an. Heute treffen sich die europäischen Finanzminister, um über Griechenlands Reformpläne zu sprechen. Wolfgang Schäuble brachte unter anderem eine neue Lösung ins Spiel: Griechenland tritt für mindestens fünf Jahre aus dem Euro aus und erholt sich.

Demnach würde das Land aber in der EU bleiben und somit “wachstumsstärkende, humanitäre und technische Unterstützung” erhalten, wie das deutsche Finanzministerium erklärt. Nach dieser Auszeit könne das Land dann wiedererstarkt in die Euro-Zone zurückkehren.

Freitag, 10.07.

Sowohl die Gläubiger, als auch die griechische Regierung beharren auf ihren Positionen. Klar ist: bis Sonntag muss eine der beiden Seite den entscheidenden Schritt zurückweichen. Die Fronten aber sind verhärtet, niemand möchte als Verlierer dastehen. Dennoch ist beiden Seiten bewusst, dass viel mehr auf dem Spiel steht, als Ehre oder der bloße Ruf.

In welche Richtung (siehe vier Szenarien vom Dienstag, 07.07.) sich die Krise wendet, ist vollkommen unvorhersehbar. Eine Einigung ist ebenso denkbar wie der Austritt Griechenlands aus dem Euro. In den kommenden Stunden und Tagen kommt es daher auf jede kleine Bewegung beider Seiten an – eine Entscheidung muss möglichst zeitnah her. Denn den Griechen droht das Geld auszugehen.

Warten die Gläubiger also zu lange, müssen die Griechen so oder so eine zweite Währung einführen. Diese würde parallel zum Euro in Griechenland existieren und eine Form des Grexits darstellen. Denn diese Währung wäre definitiv weniger wert, als der Euro – eine Abwertung wäre schon mal vorgenommen. Eine Rückführung zurück zum Euro wäre schwer.

Donnerstag, 09.07.

Die griechische Regierung hat ein Angebot eingereicht. Das beinhaltet Spar-Programme, über die das EU-Parlament nun beraten soll. Ob es zu Beratungen vor dem Gipfel am Sonntag kommt, ist offen. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, eine Einigung müsse in Tagen, nicht in Wochen erfolgen.

Nach Informationen der Bild hat Tsipras sein Angebot von Experten der Troika anfertigen lassen. In diesem Zusammenhang zitiert das Boulevardmedium einen “der ranghöchsten Beamten Griechenlands”: “Die Troika wird ja wohl kaum ein Angebot ablehnen, das sie mitgeschrieben hat.”

Mittwoch, 08.07.

Der Gipfel brachte keinen Durchbruch in eine bestimmte Richtung. Am Sonntag soll es einen weiteren Gipfel geben. Beide Seiten scheinen sich in bestimmten Punkten anzunähern. Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte, dass ein Schuldenschnitt gegen EU-Recht verstoßen würde (kein Land darf für ein anderes haften).

Der Fraktionssprecher der Syriza-Partei, Nikos Filis, sagte der SZ, dass dieser auch nicht mehr die Bedingung der Griechen sei. Viel mehr sei eine Umstrukturierung der Schulden “ein ernst zu nehmender Vorschlag. Wir sind bereit, ein Abkommen in wenigen Tagen zu unterschreiben.” Allerdings dränge die Zeit. Dem Land geht das Geld aus.

Der neue griechische Finanzminister Euklid Tsakalatos gilt als intelligent und ruhig. Zum Treffen der EU-Finanzminister trat er erstmals auf, brachte er aber zum Ärger der Anwesenden kein schriftliches Angebot mit. Die Parteien verständigten sich aber darauf, dass Griechenland Hilfe aus dem ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) beantragen wird.

Am Mittwoch-Vormittag sprach Tsipras vor dem EU-Parlament. Dort wurde er dafür kritisiert, dass er sich nicht für die heftigen Aussagen von Varoufakis (“Terrorismus”) entschuldigt hat. Manfred Weber, Fraktion der EVP, wurde beim Aussprechen der Kritik von Buh-Rufen unterbrochen. Mehrere Parlamentsmitglieder zeigten Schilder mit “Oxi” oder “No”.

Dienstag, 07.07.

Heute findet der Euro-Gipfel in Brüssel statt. Dort wird sich zeigen, ob die Gläubiger oder Griechenland von seinen Forderungen eher abrücken. Tsipras geht gestärkt in die Verhandlungen, hat sich gestern für seinen Kurs die Zustimmung der griechischen Oppositionsparteien eingeholt. Die Banken sollen bis morgen geschlossen bleiben.

Der Spiegel berichtet über vier denkbare Szenarien des heutigen Krisen-Gipfels:

1. Es gibt ein drittes Hilfspaket. Dieses müsste bis Freitag beschlossen werden, denn da müssen die Griechen weitere Schulden zurückzahlen.

2. Beide Seiten einigen sich auf den Euro-Austritt Griechenlands und leiten Maßnahmen ein.

3. Es gibt keine Einigung. In diesem Fall müsste es noch in dieser Woche einen weiteren Euro-Gipfel geben, um Punkt 1 oder 2 zu erreichen.

4. Es gibt keine Einigung sowie keine Bereitschaft für weitere Gespräche. Griechenland würde auf den “Grexit” zusteuern, allerdings ohne Hilfe von außen. Dieser Fall wäre für die Menschen im Land fatal, Ausnahmezustände wären vorprogrammiert.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll Tsipras das letzte Angebot von der EU-Gruppe – welches vor dem Referendum gemacht wurde – nun doch annehmen und als Lösung vorschlagen. Allerdings möchte er demnach Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer erreichen sowie die Zusage, dass die Reformen der Renten später greifen. Die Gläubiger betonten vor dem Referendum allerdings, dass dieses Angebot lediglich bis vergangenen Dienstag gegolten habe.

Montag, 06.07.

Die Griechen haben die Spar-Pakete abgelehnt. Die griechische Regierung feiert das als großen Erfolg, Tsipras sprach davon, dass “sich Demokratie nicht erpressen lässt.” Er kündigte an: “Jetzt wird die griechische Schuldenlast auf den Verhandlungstisch kommen.” Gestärkt also möchte die griechische Regierung in die weiteren Verhandlungen gehen und auf einen Schuldenschnitt drängen.

Finanzminister Yanis Varoufakis tritt trotz des Erfolgs zurück. Mitglieder der Euro-Gruppe hätten ihm signalisiert, dass er auf den Treffen nicht mehr erwünscht sei, begründete er in seinem Blog. Auch Tsipras habe sein Ausscheiden als “potentiell hilfreich” angesehen, er wolle Tsipras mit seinem Rücktritt deshalb helfen. Auch die Opposition der griechischen Regierung soll sich für einen neuen Finanzminister in den Verhandlungen stark gemacht haben. Varoufakis brachte sich mit eigenen Aussagen selbst in diese Lage: Er warf den Gläubigern unter anderem “Terrorismus” vor, weil sie Angst schüren wollten.

Vizekanzler Sigmar Gabriel betonte, das “Nein” sei eine Absage an die Spielregeln der Euro-Zone. So seien “Verhandlungen über milliardenschwere Programme kaum vorstellbar.” Am Dienstag soll es einen Sondergipfel der Euro-Staaten geben, die europäischen Finanzminister sollen sich in den kommenden Tagen ebenfalls treffen.

Sonntag, 05.07.

Erste Hochrechnungen des Tages sehen die “Nein”-Abstimmer vorne. Demnach haben 60 Prozent der Abstimmenden gegen die Spar-Pakete der Gläubiger gestimmt. Das wäre ein deutliches Zeichen für den Kurs der griechischen Regierung, die dadurch in den Verhandlungen – wohl ab Montag – deutlichen Rückenwind verspüren dürfte.

Das heutige Referendum ist von hoher Bedeutung für die weitere Verhandlungsposition. Heute wird nicht entschieden, ob die Griechen weiterhin den Euro haben. Es wird aber entschieden, ob die griechische Regierung gestärkt durch das Votum ihres Volks in weitere Verhandlungen geht oder das Volk sich für die Spar-Pakete entscheidet und die Regierung womöglich zurücktritt.

Weiterhin sind die Prognosen sehr ausgeglichen. Es ist eine sehr emotionale Abstimmung. Mit der Schließung der Banken Anfang der Woche sowie der offiziellen Insolvenz-Erklärung des Landes seitens des IWF dürften mehr und mehr Griechen auf Sicherheit und damit die Spar-Pakete aus sein. Auf der anderen Seite ist die Wut gegen die “Spar-Diktatur” groß.

9,8 Millionen Griechen stimmen ab, im Ausland lebende Griechen müssen für die Abstimmung einfliegen. Mindestens 40 Prozent der Bevölkerung müssen sich beteiligen, damit das Ergebnis für die Regierung bindend ist. Laut griechischen Medien kostet das Referendum 110 Millionen Euro, die griechische Regierung geht von 50 Millionen aus.

Die Wahllokale sind bis 19 Uhr geöffnet, am Montag soll das offizielle Ergebnis bekannt gegeben werden. Am Sonntagabend wird es erste schlagkräftige Prognosen geben.

Samstag, 04.07.

Alle warten auf das morgige Referendum. Weiter gibt es Demonstrationen für und gegen die Spar-Pakete – bislang zeichnet sich allerdings keine Mehrheit ab. Es versammelten sich  20 000 Griechen, um für die Spar-Pakete zu demonstrieren. Sie hoffen dadurch auf einen sicheren Verbleib in der Euro-Zone. Ministerpräsident Alexis Tsipras sprach nochmals zu etwa 30 000 Griechen und warb dafür, die Spar-Pakete abzulehnen.

Für Finanzminister Wolfgang Schäuble käme das einem Grexit gleich: “Ob mit Euro oder vorübergehend ohne: Diese Frage können nur die Griechen selbst beantworten”, sagte er in der Bild. Dennoch werde man “die Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen.” Schäuble schätzt die Lage für Deutschland und die anderen Euro-Länder nicht als kritisch ein: “Die Märkte haben schon in den vergangenen Tagen sehr zurückhaltend reagiert. Das zeigt, dass das Problem beherrschbar ist.”

Freitag, 03.07.

EINE GROßE ÜBERRASCHUNG: Der Rettungsfonds erklärt Griechenland für insolvent. Ursprünglich war erwartet worden, dass die Kreditgeber das Land nicht sofort für insolvent erklären. Eigentlich hätten sie insgesamt vier Wochen Zeit dazu gehabt. Die Auswirkungen für Griechenland dürften vor dem Referendum immens sein. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) stellte den Zahlungsausfall offiziell fest, besteht aber nicht auf die sofortige Rückzahlung der Kredite.

Das Referendum am Sonntag  wird nun geprüft. Zwei Griechen haben beim Obersten Verwaltungsgericht Griechenlands eine Beschwerde gegen die Abstimmung eingelegt. Unterdessen gibt es große Demonstrationen: Sowohl die Befürworter der Spar-Pakete, als auch die Ablehnenden gehen für ihre Überzeugung auf die Straße.

Während sich Finanzminister Varoufakis deutlich positioniert und bei einem “Ja” (also dem Annehmen der Spar-Pakete) zurücktreten wird, wich Tsipras dieser Frage eher aus. So oder so, Varoufakis geht von einer Lösung der kritischen Verhandlungssituation aus: “Eine Einigung wird erzielt, egal ob an den Urnen ein Ja oder ein Nein herauskommt.”

Donnerstag, 02.07.

Wie sich die Griechen beim Referendum am Sonntag entscheiden, wird für die weiteren Verhandlungen entscheidend sein. Die griechische Regierung empfiehlt den Bürgern, die Spar-Pakete abzulehnen. Dem Vernehmen nach tritt die Regierung um Tsipras zurück, sollten sich die Griechen für die Spar-Pakete der Gläubiger entscheiden. Finanzminister Varoufakis äußerte sich dazu relativ eindeutig. Er werde keine andere Lösung akzeptieren, als eine Umstrukturierung der Schulden. “Lieber würde ich mir den rechten Arm abhacken”, sagte Varoufakis zu einer anderen Lösung.

Votieren die Griechen gegen die Spar-Pakete, kann Tsipras gestärkt und mit dem Argument, sein Volk hinter sich zu haben, in weitere Verhandlungen gehen. Derzeit gibt es verschiedene Umfragen – mal ist von einer Mehrheit für “Ja” die Rede, mal von “Nein”. Übereinstimmend erkennbar ist jedoch, dass die Schließung der Banken die Griechen eher dazu drängt, die Spar-Pakete anzunehmen.

Mittwoch, 01.07.

Heute ist es soweit: Die griechische Regierung hat den Kredit des IWF offiziell nicht zurückgezahlt. Der Kreditgeber könnte Griechenland deshalb ab jetzt in den kommenden vier Wochen für zahlungsunfähig  erklären. Jedoch ist ein solcher Schritt nicht so schnell zu erwarten, es laufen Beratungen. Es scheint, als soll das Referendum am Wochenende sowie darauf folgende Verhandlungen abgewartet werden. Die kommenden Tage bis zur Abstimmung könnten also ruhiger verlaufen.

Diese Meinung bestätigt Bundeskanzlerin Merkel. Demnach wolle die Bundesregierung das Referendum abwarten, ehe weiter verhandelt werden würde. Zugleich betonte Merkel am heutigen Tag: “Die Tür für Verhandlungen war immer offen und bleibt immer offen.” Was allerdings das bisherige Angebot der Gläubiger an die Griechen angeht, so sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble  heute: “Was abzulehnen, was anzunehmen ist, ist nicht mehr existent.” Dadurch, dass Griechenland den Kredit nicht zurückgezahlt hat, ist eine neue Verhandlungssituation entstanden.

Dienstag, 30.6.

Über die aktuelle Lagen kommen derzeit verschiedene Meldungen auf. Die griechische Regierung soll nun den Kurs gewechselt haben und um ein drittes Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms bitten. Das berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg und beruft sich aus Informationen aus dem Büro des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das abgelehnt, möchte ihrerseits vor weiteren Verhandlungen das Referendum abwarten.

Aus EU-Kreisen heißt es, die Gläubiger stünden bis heute Abend für eine Einigung bereit. Um Mitternacht läuft die Frist zur Rückzahlung des IWF-Kredits ab. Eine Einigung bis dahin sähe wie folgt aus: Die griechische Regierung akzeptiert die Spar-Forderungen der Gläubiger und setzt sich für das Referendum am Wochenende dafür ein, dass die griechischen Bürger für “Ja”, also für das Spar-Paket, stimmen.

Die griechische Regierung hat bereits angekündigt, die fälligen 1,6 Milliarden Euro bis heute nicht zurück zu zahlen. Aus Griechenland kam nun die aktuelle Meldung, dass die griechische Regierung offenbar Gespräche mit den Gläubigern aufgenommen hat. Eine Einigung “in letzter Minute” scheint demnach nicht ausgeschlossen.

Unterdessen wurde in der gestrigen “Hart aber Fair”-Sendung ein ganz anderer Aspekt angesprochen. In Ausschnitten aus der Mittelfinger-Rede des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis betont dieser, die Griechen sollten das europäische Währungssystem doch mal mit seinen eigenen Fehler konfrontieren.

Montag, 29.6.

Der große Einbruch an den Börsen blieb aus. Der DAX verlor 500 Punkte. Ein Bänker schätzt im Gespräch mit aktuellinfo: “Sekündlich entstehen Schwankungen des DAX-Wertes. Ein Abrutschen um 500 Punkte gibt es immer mal wieder.” Viel mehr sei für die Börse interessant, sollte Griechenland aus der EU austreten.

Indes erklären die Gläubiger die Verhandlungen für beendet. Die griechische Regierung möchte am kommenden Sonntag ihre Bürger per Referendum befragen, ob sie das Angebot der Gläubiger annehmen möchten – dieses steht offensichtlich nicht mehr.

Entscheiden sich die Griechen dabei gegen das Angebot der Gläubiger, “dann ist das eine klare Entscheidung gegen den Verbleib im Euro”, betonte Vizekanzler Sigmar Gabriel am Montag. Entscheiden sie sich dafür, “werden wir uns solchen Verhandlungen nicht verschließen”, ergänzte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Morgen um Mitternacht endet die Frist des IWF. Die Griechen werden das Geld bis dahin nicht zurückzahlen können. Der IWF könnte ab morgen Griechenland offiziell für zahlungsunfähig erklären. Allerdings könnte der IWF dies wegen einer Frist auch beliebig an einem Tag innerhalb der nächsten vier Wochen machen.

Sonntag, 28.6.

Der große Poker zieht sich in die Länge. Es gibt mehrere Treffen der europäischen Finanzminister und Regierungschefs, die aber keinen Fortschritt bringen. Im Gegenteil: Die aktuelle Entwicklung deutet auf einen Austritt Griechenlands hin. Die Gläubiger und Griechenland näherten sich in den Verhandlungen an (bestimmte Reformen wurden von Alexis Tsipras akzeptiert), ehe Tsipras eine Volksabstimmung für den 5. Juli ankündigte.

Darin sollen die Griechen entscheiden, ob sie den Bedinungen zustimmen – weil sich die Reformen auf mehrere Generationen auswirkten, so Tsipras. Daraufhin zogen die Gläubiger ihr Angebot verärgert zurück. “Griechenland hat den Verhandlungstisch verlassen”, kommentiert der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Am Montag nun könnte es zum großen Sturz an den Börsen kommen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis gab indes bekannt, für Montag die Schließung griechischer Banken zu erwägen. Viele Griechen holen bei den Bankautomaten Geld – diese sind vielerorts mittlerweile leer. Die Banken haben Probleme, das viele Geld auf den Konten auf einen Schlag auszuzahlen.

„Den Fußball nicht überfordern“

In Fußball-Stadien gibt es international verbreitet homophobe Stimmungen und Gesänge. Patrick Gasser ist bei der Uefa (Union of European Football Associations) für soziale Tätigkeiten zuständig. Aktuellinfo sprach mit dem Uefa-Mitarbeiter darüber, wie der Verband dem Problem Homophobie entgegen treten kann.

Der Schweizer kümmert sich darum, dass der europäische Fußballverband seiner sozialen Verantwortung gerecht wird und koordiniert dafür unter anderem Projekte. Im Kampf gegen Homophobie kann der Fußball nicht alles leisten, gibt Gasser zu.

 

Herr Gasser, wie glauben Sie, kann man die verschiedenen Kulturen der Uefa-Mitgliedsverbände für ein gemeinsames Ziel wie die Anti-Diskriminierung zusammenführen?

Gasser: „Indem man in einem Netzwerk mit Nicht-Regierungsorganisationenarbeitet, die von der Situation vor Ort Kenntnis haben und genau wissen, wo der Schuh drückt.“

Aber ist die Denkweise in einem Thema wie der Homophobie beispielsweise unter Polen, Deutschen und Spaniern überhaupt vereinbar?

„Ja natürlich ist das vereinbar. Man muss die Situation so nehmen, wie sie ist. Die Entwicklung der Gesellschaft ist nicht überall gleich weit, deshalb muss man sie dort abholen, wo sie sind und versuchen, das konstruktiv zu bearbeiten.“

Wie viel kann die Uefa in diesem Prozess bewegen?

„Man muss einfach aufpassen, dass man den Fußball nicht überfordert. Der Fußball kann seinen Teil dazu beitragen, aber der Fußball kann nicht von alleine Probleme wie Rassismus, Diskriminierung oder Homophobie lösen. Da kann man einen Beitrag leisten, aber es braucht die Unterstützung von ganz vielen verschiedenen Mitspielern in der Gesellschaft, um ans Ziel zu kommen. Der Fußball ist nicht per Definition rassistisch oder diskriminierend, sondern das sind Teile der Gesellschaft. Der Fußball ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Damit muss man umgehen. Der Fußball soll aber seine Verantwortung übernehmen und einen Beitrag leisten.“

Worin liegen Ihre Hoffnungen, dabei Fortschritte zu erreichen?

„Ich glaube, in der Gesellschaft gab es schon immer rassistische und diskriminierende Tendenzen. Wichtig ist, dass man sie aufgreift und bearbeitet, das heißt etwas dagegen unternimmt. Aber ich glaube es ist illusorisch zu denken, dass man in einer absehbaren Frist jegliche Art von Diskriminierung oder Rassismus aus der europäischen Gesellschaft eliminiert. Es gibt solche Formen im arabischen Kulturkreis ebenso wie im asiatischen und im afrikanischen. Das gibt es überall auf der Welt, das ist kein europäisches Phänomen, es lebt sich nur anders aus.“

Macht die Uefa aber genug im Kampf gegen Diskriminierung?

„Die Frage ist: Was wäre genug? Aber ich denke, wir leisten unseren Beitrag über den Fußball.“

AfD: Zerfall einer Partei

Die Alternative für Deutschland (AfD) zerfällt in ihre Einzelteile. Beim Parteitag am vergangenen Wochenende wählten die Mitglieder Frauke Petry. Die neue Bundesvorsitzende möchte die AfD weiter rechts positionieren, Parteigründer Bernd Lucke wehrte sich bis zum Schluss dagegen.

Bereits Ende Mai berichtete aktuellinfo über den von Lucke initiierten Weckruf. Nun wurde das Szenario wahr: Lucke ist mit dem „Weckruf“ gescheitert. Mit dem Projekt wollte er möglichst viele Mitglieder für seine Grundidee der AfD begeistern und die Drohung des Massen-Parteiaustritts als Pfand für den Parteitag nutzen. Dafür folgten ihm allerdings zu wenige Mitglieder.

Nach eigenen Angaben hat der Weckruf 4 000 Mitglieder, etwa ein Fünftel aller AfD-Mitglieder. Beim Parteitag aber setzte es eine deutliche Niederlage für Lucke: 38 Prozent wollten ihn als Bundesvorsitzenden, 60 Prozent wählten Petry. In seiner Rede wurde Lucke immer wieder von Buh-Rufen unterbrochen.

Streitpunkt Pegida: Lucke dagegen, Petry dafür

„Wir haben nicht beschlossen, dass wir eine Pegida-Partei sind“, äußerte Lucke und erhielt Buh-Rufe. Auch auf seinen Hinweis der billigen Stimmungsmache setzte es Buh-Rufe. Petry hingegen hat hier die Mehrheit der Partei hinter sich: Pegida-Demonstranten seien die Bürger, „für die wir Politik machen wollen.“ Und der Islam? „Uns völlig fremd und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.“ Das sind Aussagen, die in der AfD mittlerweile umjubelt und mehrheitsfähig sind.

Für Lucke ist der Kampf um seine eigene Partei beendet. Nach der Wahl ließ er durchblicken, dass er die AfD verlassen werde. Nachdem ihm sein politisches Kind genommen wurde, wird es zum Feind. Treten die Mitglieder des Weckrufs tatsächlich aus der AfD aus, bedeutet das eine enorme Schwächung. Ob Lucke mit einer neuen Partei aber eine ähnliche Kraft entwickeln könnte, wie sie die AfD hatte, bleibt ungewiss.

Rechter Flügel dominiert: AfD wird für Mitglieder und Wähler zu einseitig

Die Zahl der Weckruf-Mitglieder ist für die Partei nicht unerheblich, zudem droht die Partei zu einseitig, zu rechtslastig zu werden. Petry kann die verschiedenen Flügel der AfD nicht mehr bedienen. So werden auf dem Parteitag drei Stellvertreter des zweiköpfigen Vorstands gewählt, die alle dem rechten Flügel zugeordnet werden. Einzig Jörg Meuthen, direkter Stellvertreter Petry´s, gilt als wirtschaftsliberal.

Mit der rechten Positionierung, was beispielsweise Themen wie Flüchtlingspolitik angeht, wird die AfD nicht mehr alle Euro-Kritiker erreichen. Für diejenigen, die zwar dem Euro kritisch gegenüber stehen, aber keine rechten Positionen unterstützen, ist die AfD keine Alternative mehr. Für die Kritik am Euro ist die Partei ursprünglich angetreten. „Das ist weit weg von dem, was ich 2013 vorhatte mit der AfD“, sagte ein sichtlich enttäuschter Lucke nach dem Parteitag.

 

 

 

Henke: „Todeswunsch oft Hilflosigkeit der Betroffenen“

In der Debatte um ein neues Sterbehilfe-Gesetz stellt sich Rudolf Henke (CDU) einer Meinung entschieden entgegen: Dass lediglich der Suizid ein Tod in Würde ist. Für den Bundestagsabgeordneten bringt das Menschsein auch Leid mit sich. Im Gespräch mit aktuellinfo nimmt  der 61-Jährige klar Stellung zu Sterbehilfe durch Ärzte und Vereine und sagt, warum sich mehr Sterbehilfe-Angebote schlecht auswirken.

Rudolf_Henke
Fotograf: Andreas Hermann

Sie betonen, dass Leiden zu „unserer Bedingtheit als sterbliche Menschen“ gehört. Inwiefern haben Sie Verständnis für Menschen, die dem Leiden durch Sterbehilfe entkommen wollen?
Henke: „Ich habe diesen Satz als Reaktion auf die Aussage eines Kollegen getroffen, der während der Orientierungsdebatte im Deutschen Bundestag meinte, die moderne Medizin würde dazu beitragen, dass es chronische Krankheiten, Siechtum, chronische Leiden und sichere Unheilbarkeitsprognosen gibt. Ich habe darauf erwidert, dass ich anderer Meinung sei und denke, das bringen unsere Bedingtheit als sterbliche Menschen und ein auch mit eigenem Leiden konfrontiertes Leben mit sich.“

Wie stehen Sie zur aktuellen Debatte des Bundestags?
Henke: „Es geht mir in dieser Debatte auch darum, dass die Tötung eines Patienten, auch wenn sie auf dessen Verlangen erfolgt, sowie die Beihilfe zum Suizid nicht zu den Aufgaben der Ärzte gehören. So sieht es auch die Berufsordnung der in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte vor. Deshalb bin ich auch strikt gegen Regeln, die Ärzten die Beihilfe zum Suizid oder die Tötung auf Verlangen zur Aufgabe machen würden.“

Sollten zusätzlich Vereine Sterbehilfe leisten dürfen?
Henke: „Ich werbe für ein Verbot organisierter oder anderweitiger geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe. Ich setze darauf, dass wir so auch der Werbung für die Suizidunterstützung den Boden entziehen. Ich will dem Eindruck entgegentreten, es sei unnatürlich und stelle eine Einschränkung persönlicher Freiheit dar, am Lebensende auf den Mitmenschen angewiesen zu sein. Zudem möchte ich nicht in einer Gesellschaft leben, in der sich Menschen mit der Frage beschäftigen müssen: „Darf ich weiterleben oder muss ich sterben wollen und mich dann selbst töten?“

Schaffen mehr Angebote zur Sterbehilfe mehr Nachfrage?
Henke: „Wenn man sich die Zahlen aus den Ländern anschaut, in denen Tötung auf Verlangen zulässig ist, lassen sich durchaus derartige Schlüsse ziehen. Durch das Wirken von Sterbehilfeorganisationen entsteht die Gefahr eines gesellschaftlichen Klimas, in dem sich altersschwache, kranke oder behinderte Menschen ausgegrenzt oder als finanzielle Last für die Gesellschaft fühlen und zum Suizid gedrängt werden könnten.“  

Wie kann verhindert werden, dass sich solche Menschen zum Tod gedrängt fühlen?
Henke: „Der Wunsch nach dem Tod resultiert oft aus Hilflosigkeit und der Unwissenheit der Betroffenen. Klärt man einen Patienten jedoch über bestehende Behandlungsmöglichkeiten auf, die ihnen die Schmerzen, die Atemnot oder Übelkeit nehmen und ein Sterben in Würde ermöglichen, so hat er in aller Regel keinen Suizidwunsch mehr. Deshalb muss die Aufklärung über die Möglichkeiten, die uns die Palliativ- und Hospizversorgung bieten, verbessert werden.“

Wünschen Sie sich mehr Debatten, in denen es keinen Fraktionszwang gibt?
Henke: 
„Sterbebegleitung und Suizidassistenz sind ethisch sehr sensibel. Ich befürworte es, dass sich jeder Abgeordnete fraktionsübergreifenden Anträgen anschließen kann und  seine eigene Meinung nach bestem Wissen und Gewissen vertreten kann, da es eine sehr persönliche Entscheidung ist. Allerdings denke ich, dass in der Mehrzahl der Sachfragen ein Einklang der Abgeordneten einer Fraktion erst einmal anzustreben ist, im Sinne der Fraktionsdisziplin.“

 

Mehr zu Rudolf Henke

Aktuellinfo zum Thema Sterbehilfe:

Bericht zum neuen Gesetz

Kommentar zum Thema

 

 

 

Mein Leben – mein Tod?

In der Diskussion, welche Möglichkeiten es in Deutschland zur Sterbehilfe geben soll, darf es keine falschen Meinungen geben. Egal, wer argumentiert: Oft sind persönliche Erfahrungen und tragische Geschichten der Hintergrund. Das gilt es zu respektieren, und dennoch muss man im neuen Gesetz Dinge eingrenzen oder gar verbieten.

Es sollte keine Lizenz zum Töten an Sterbehilfevereine vergeben werden. Zu viel Raum zur Profitgier wird geschaffen. Es gibt mit Sicherheit auch Vereine zum reinen Wohle des Patienten. Aber an dieser Stelle bekommt man keine saubere Differenzierung hin. Die Gefahr der schwarzen Schafe ist zu groß. Also: Keinerlei Befugnisse für Sterbehilfevereine!

Vertrauen in Ärzte: Beratung und Sterbebegleitung

Das gleiche Argument kann man auch bei Ärzten anbringen. Jedoch stehen diese aufgrund ihres Berufes in der Pflicht, zum Wohle des Patienten zu handeln. In diesem Fall müssen wir in die Ärzte vetrauen. Tun wir das nicht, müssen wir auch ganz andere Berufsgruppen hinterfragen.

Abseits dieser elementaren Argumente geht es ins Detail. Die Geschichte von Udo Reiter zeigt das eindrucksvoll. Der ehemalige Intendant des MDR saß im Rollstuhl, schrieb in einem Gastbeitrag für die SZ Anfang 2014, dass „lebenssatte“ Menschen vom Staat alleine gelassen würden.

Statt eines qualvollen Selbstmordes müsse es für „diese Menschen Notausgänge geben, durch die sie in Würde (…) gehen können.“ Komme er für sich zu dieser Entscheidung, wolle er zu Hause einen Cocktail einnehmen, der ihn  „sanft einschlafen lässt.“ In seinem Abschiedsbrief schreibt er: „Ich möchte mir nicht den Nahrungsersatz mit Kanülen oben einfüllen und die Exkremente mit Gummihandschuhen unten wieder herausholen lassen. Ich möchte nicht allmählich vertrotteln und als Idiot vor mich hindämmern.“ Im Oktober 2014 spricht Reiter in der Sendung von Maybrit Illner über Sterbehilfe – eine Woche später erschießt er sich auf seiner Terasse.

Lebensmüde Menschen sollen Unterstützung bekommen – nicht den Freitod

Der Fall zeigt die große Problematik auf: War Reiters Leben nicht mehr lebenswert? Wer entscheidet darüber? Defintiv sollte es keinen Freifahrtschein für Menschen in schweren Krisen geben. Ärzte, Freunde, Verwandte – für sie muss es ein Netz geben, das sie in kritischen Phasen und Zuständen auffängt. Für sie soll ein gesetzlich legitimierter vorzeitiger Tod nicht infrage kommen.

Für eine ganz bestimmte Gruppe soll es aber die Möglichkeit geben unter Begleitung eines Arztes vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. Es geht um Menschen, die ansonsten Schreckliches vor sich hätten. Ein fremdbestimmtes Leben, gefesselt ans Bett und im Angesicht eines qualvollen Todes. Sie sollen nicht zur Selbstötung animiert werden. Aber ebenso sollen sie sich nicht erschießen müssen, wenn sie aufgrund schrecklicher Umstände jede Sekunde als eine Qual empfinden.

Wer sind wir, denen es zumeist gut geht, dass wir über die Möglichkeiten eines solchen Menschen entscheiden? Ganz wichtig: Ein solches Leben wäre vielleicht schrecklich, aber nicht menschenunwürdig – Kranke, die das Leid als Teil des Lebens ertragen möchten, sollten nicht zur Selbstötung animiert werden!

 

 

Wenn nichts mehr geht

Der Tod liegt nicht in unserer Hand. Eigentlich. Was aber, wenn ein Mensch sein Leben aufgrund gewisser Umstände nicht mehr lebenswert findet? Der Bundestag debattiert in diesen Tagen über ein neues Gesetz zur Sterbehilfe. Die Meinungen der Abgeordneten sind dabei besonders breit gefächert, da es in dieser Debatte keinen Fraktionszwang gibt. Eine erste Bundestagsdebatte mit vielen emotionalen Reden gab es im vergangenen Dezember.

Neue Gelder: Künftig bundesweit 600 Millionen Euro für Sterbegleitung

In der Palliativarbeit werden die Schmerzen von todkranken Menschen gelindert, teilweise werden auch die Symptome einer Krankheit behandelt. Hospizarbeit dagegen soll es Menschen ermöglichen, in einer schönen Umgebung würdevoll zu sterben. Für den Ausbau dieser Bereiche plant die Bundesregierung jährlich 200 Millionen Euro mehr ein. So soll es auch auf dem Land künftig keine lückenhafte Versorgung mehr geben.

Noch in diesem Jahr stimmt der Bundestag über ein neues Sterbehilfe-Gesetz ab. In den bisherigen Reden zeigte sich bereits, die Politiker sind sich einig: Keiner soll sich qualvoll umbringen müssen. Ebenso herrscht unter den Abgeordneten Einigkeit darüber, dass Sterbehilfevereine keinesfalls profitorientiert arbeiten sollen. Auch die aktive Sterbehilfe, also der Todeswunsch ohne medizinische Not, soll weiterhin verboten sein.

Soweit war es das mit der Einigkeit. Die Abgeordneten sprachen für sich und ihre Entwürfe, teilweise gegen Politiker der eigenen Fraktion. Parteiübergreifend gibt es vier Gesetzentwürfe:

1.: Ärzte sollen beim Suizid helfen dürfen

Bisher bewegen sich Ärzte in Deutschland in einer Grauzone, was Sterbehilfe angeht. Behilfe zum Suizid ist zwar bislang straffrei, aber mehrere Landesärztekammern verbieten Ärzten diese Möglichkeit. Mit dem Antrag von CDU- und SPD-Politikern soll passive Sterbehilfe künftig im BGB für Ärzte ausdrücklich erlaubt sein.

Die Voraussetzung: Der Patient muss volljährig, unheilbar krank sein und einwilligen – ein zweiter Arzt muss das dann bestätigen. Man dürfe die Tür für die kleine Gruppe von Menschen, die den Tod trotz „aller Angebote der Palliativmedizin“ als nicht würdevoll empfinden, nicht verschließen, betonte Mitantragssteller Karl Lauterbach von der SPD.

2.: Sterbehilfevereine erlaubt – solange nicht profitorientiert

Sterbehilfevereine sind umstritten. So war in der Debatte von Menschen zu hören, die in Beratungsgesprächen solcher Vereine zum Tod gedrängt wurden. Für solche Fälle, in denen Sterbehilfevereine lediglich auf Profit aus sind, solle es Haftstrafen von bis zu drei Jahren geben, fordert dieser Antrag von Grünen- und Linken-Politikern. Auch Ärzte sollen Rechtssicherheit haben und passive Sterbehilfe ausführen dürfen.

3: Jeden Fall einzeln bewerten

Dieser Entwurf ist der einzige, an dem Abgeordnete aus allen Fraktionen beteiligt sind und bei dem auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe seine Zustimmung signalisiert. Auch hier soll verhindert werden, dass Sterbehilfevereine profitorientiert arbeiten, ebenso unter Androhung einer Haftstrafe. Vereinzelt solle es aber erlaubt sein, im Fall einer „schwierigen Konfliktsituation.“

4: Sterbehilfe streng bestrafen

Ein Antrag aus der CDU möchte Sterbehilfe jedweder Form verbieten. Anstiftung oder Hilfe zur Selbsttötung soll mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden, fordern die Antragsteller. Damit wäre Sterbehilfe für Ärzte, Angehörige und Vereine verboten. Lediglich für einen Ausnahmefall mit extrem großem Leid lassen sich Abgeordneten hier eine Hintertür offen.

Mehr Möglichkeiten = mehr Selbsttötungen?

Die Anträge reichen also von einem strikten Sterbehilfeverbot, über eine Erlaubnis für Ärzte bis hin zu einer Legitimation auch für Sterbehilfevereine. Verschiedene Argumente treffen in der Debatte aufeinander. „Auch bei Sterbehilfe schafft Angebot Nachfrage“, warnte Michael Brand von der Union.

Diese These unterstützt Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler und verglich die Situation mit Zeiten des Sturm und Drangs, in denen das Buch „Die Leiden des jungen Werthers“ viele nachahmende Suizide zur Folge hatte. Unions-Politiker Peter Hintze widersprach diesem Bild und kritisierte, diese Warnungen seien „tiefes Misstrauen gegenüber unseren Ärzten“ und „gegenüber dem Menschen, der frei und selbstbestimmt sein Leben führen will.“

Müssen wir Leiden als Teil des Lebens hinnehmen?

Auch die Freiheit über das eigene Leben ist ein Grundargument. Petra Sitte, Abgeordnete der Linken, hat ihren Vater beim Sterben begleitet. Er habe schwer gelitten und in den letzten Tagen seines Lebens die Nahrungsaufnahme verweigert, ehe „er endlich mit multiplem Organversagen hinüberdämmern konnte“, berichtete sie.

Für Tausende sei es eine „schreckliche Vorstellung“, dem Tod gut gepflegt entgegenzugehen, betonte die bekennende Atheistin. Dagegen kritisierte Rudolf Henke von der Union, es werde der Eindruck erweckt, dass lediglich der Suizid ein Sterben in Würde sei. Dabei bringe „unsere Bedingtheit als sterbliche Menschen“ auch ein Leben mit sich, das mit eigenem Leiden konfrontiert werde.

Die Debatte drehte und wird sich um diese Argumente drehen. Die Politiker werben für ihre Überzeugungen, dieses Mal frei von jeder politischen Orientierung, oft aufgrund persönlicher Erfahrungen. Für eine Regelung der Sterbebegleitung brauche die Politik eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, äußerte Carola Reimann von der SPD, und schlussfolgerte: „Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte.“ Die wird es nun geben.

 

 

 

Keine Alleingänge möglich

Für die Lösung der Griechenland-Krise braucht es Einigkeit. Weder die Gläubiger, noch die Schuldner können das Problem im Alleingang lösen. Nur wenn die griechische Regierung einen gemeinsam mit den Gläubigern erarbeiteten Weg geht, sind die Voraussetzungen für den Ausweg aus der Krise geschaffen. Dass diese überhaupt bewältigt wird, ist auch dann nicht gewiss.

Wie schwer es ist, die verhandelnden Parteien unter einen Hut zu bringen, zeigt alleine das Konstrukt EU: Unter den Mitgliedsstaaten sind längst nicht mehr alle bereit, der griechischen Regierung weitere Hilfen zuzusagen. Eine gemeinsame Linie zu finden, dürfte sich als schwierig erweisen.

Die Europäische Union braucht die Chance, sich neu zu definieren

Aber genau diese gemeinsame Linie muss gefunden werden. Das erste Euro-Aus eines EU-Landes hätte unvorhersehbare Folgen. Die europäische Idee muss definitiv neu definiert werden – ohne eine gemeinsame Finanzpolitik wird es in Zukunft nicht gehen. Damit die Chance auf eine Neuausrichtung aber nicht zerstört wird, müssen die Griechen im Euro bleiben. In Großbritannien warten EU-Kritiker nur darauf, bei einem Referendum gegen einen Verbleib der Briten in der EU zu stimmen. Auch andere EU-Länder sind wirtschaftlich und politisch noch nicht stabil genug – im Kampf gegen aufkommende rechte antieuropäische Parteien brauchen sie eine geeinte Europäische Union.

Mit dem Grexit träte genau das ein, was Skeptiker schon seit Beginn der Krise befürchteten: Unter anderem deutsche Hilfszahlungen wären verloren. Es scheint kaum vorstellbar, dass Griechenland nach einem Ausstieg aus dem Euro noch Schulden abzahlen würde. In jedem Fall hätten die Geldgeber große Abschläge zu erwarten.

Bild-Kampagne: Deutsche sollen Griechen-Ablehnung demonstrieren

Die Bedrohung fördert die Angst, die auch durch Medienberichterstattung weiter geschürt wird. Die Anti-Griechen-Kampagne der Bild läuft auch in diesen Krisen-Tagen. Das Boulevard-Medium trat erst gar nicht den Versuch der neutralen Berichterstattung an. Der Aufruf der Bild, ein Selfie mit einer Zeitungsseite zu machen, auf der „Nein!“ und „Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!“, spricht für sich selbst.

Auch wenn der Presserat für diese Schlagzeile eine Missbilligung und gar eine Rüge aussprach: Die Stimmung gegen die Griechen, angeblich alle gierig, wurde erfolgreich vorangetrieben. In all den Emotionen müssen die verhandelnden Parteien Sachlichkeit wahren. An einem Scheitern Griechenlands hätten allenfalls Spekulanten ihre Freude. Es steht zu viel auf dem Spiel: für Deutschland, Griechenland und Europa.

 

 

Griechen-Poker: Die Wege aus der Krise

Nie schien die Euro-Krise bedrohlicher, nie schien Griechenland einem Austritt aus der Europäischen Union näher. Inmitten der Verhandlungen verwischen die eigentlichen Zustände und möglichen Lösungen allerdings. Griechische Neuwahlen, Austritt aus dem Euro, Austritt aus der Europäischen Union, Rettung – wie wahrscheinlich, wie bedrohlich sind die Szenarien?

Verhandlungen vor dem Scheitern: Nun sind Merkel und Tsipras gefragt

Alle Verhandlungspartner möchten Griechenland im Euro halten – so die offizielle Haltung. Aus deutscher Sicht wird die zugespitzte Situation auch an den Akteuren deutlich. Nicht mehr Finanzminister Wolfgang Schäuble verhandelt mit seinem griechischen Pendant Yanis Varoufakis, sondern Bundeskanzlerin Angela Merkel und der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Worum geht es bei den Verhandlungen? Die Geldgeber – die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) möchten, dass die Griechen Reformen strikter umsetzen – die griechische Regierung aber möchte, dass die Gläubiger auf einen Teil der Rückzahlungen verzichten. Um die Schulden abzutragen, soll das Land anfangen, Gewinne zu erwirtschaften. Das ist zwar mit einer Erhöhung der Steuern verbunden, wurde aber von Tsipras akzeptiert.

Auch beim Thema Privatisierung kommen sich die Gläubiger und Griechenland näher. Für die Privatisierung unter anderem der Eisenbahn und Regionalflughäfen sowie dem Verkauf von staatlichen Grundstücken sollen nach Angaben der SZ bis 2022 etwa 22 Milliarden Euro erwirtschaftet werden. Beim Thema Steuern hingegen sind sich die beiden Parteien noch nicht einig. Dies ist ein Punkt, an dem die griechische Regierung ihre Bevölkerung vor allzu großen Einschnitten bewahren möchten. Nach Informationen der Bild soll Tsipras mittlerweile aber auch hier kompromissbereit sein.

Ende Juni wird es gefährlich: 1,5 Milliarden Euro muss Griechenland zurückzahlen

Der IWF stellte bisher insgesamt 32,1 Milliarden Euro bereit. Dass sich die Verhandlungen nun zuspitzen, liegt an Fristen zur Rückzahlung. Die nächste Rückzahlung steht am 30. Juni an: Es geht um 1,5 Milliarden Euro des IWF. Nach Medienberichten soll die griechische Regierung nicht zur Rückzahlung fähig sein und ersucht nun deshalb Verhandlungen.

Eine endgültige Lösung des Problems ist auch beim heutigen Sondergipfel nicht zu erwarten. Dabei treffen sich die EU-Regierungschefs und beraten auch über neue Vorschläge, die Tsipras unterbreitet. Nach einem Bericht der Welt sehen die Vorschläge unter anderem neues Geld vor: Zur Rückzahlung bestehender Kredite sowie zum Fördern der griechischen Wirtschaft.

Folgen eines „Grexit“ für Deutschland, Europa und Griechenland

Am Anfang der Griechenland-Krise wurde der „Grexit“, der Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, von den Akteuren vehement ausgeschlossen. Die Meinungen haben sich geändert: Im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Merkel schließt Schäuble einen Austritt Griechenlands nicht mehr aus. Was wären die Folgen?

Für Deutschland hieße das, dass die bisherigen Kreditleistungen höchstwahrscheinlich verloren sind. Frankreich steckt in einem ähnlichen Dilemma, hat viel gegeben: Zusammen verlören die beiden Länder mit einem Schlag 160 Milliarden Euro. Die Auswirkungen auf die Börse sowie auf Anleger können selbst von Experten schwer eingeschätzt werden – positiv fallen die Prognosen natürlich nicht aus. Alleine deshalb versuchen die Verhandelnden in ihren Aussagen den „Grexit“ auszuschließen.

Für Europa hieße das, dass ein erstes Mitglied den Euro abgeschafft hätte. Für die Stabilität der Euro-Zone wäre das zu verkraften. Drastischer könnte aber die Signalwirkung sein. Andere angeschlagene Länder könnten dem Beispiel Griechenlands folgen oder mit dem Austritt drohen, um strikten Reformen zu entgehen. Die Solidarität unter europäischen Ländern steht derzeit vor harten Proben. Der Euro ist das gemeinsame Projekt – scheitert ein Land, sind die Folgen unvorhersehbar.

Für Griechenland hieße das: Es bedarf einer neuen Währung. Dieses Szenario beschreibt der Spiegel wie folgt: Bis eine neue Währung eingesetzt werden würde, liefe der griechische Zahlungsverkehr beispielsweise beim Supermarkt über Schuldscheine. Erfahrungsgemäß trauen die Menschen diesen Schuldscheinen nicht die gleiche Sicherheit wie Geldscheinen an und würden diese quasi automatisch abwerten.

Diese Abwertung würde auch mit der später eingeführten neuen Währung folgen – das neue griechische Geld wäre weitaus weniger wert, als der Euro oder andere Währungen. Was diese Vorgänge in der Bevölkerung auslösen, können Experten ebenfalls nur vage vorhersagen – allerdings ist in der ohnehin angespannten Situation viel Ärger zu erwarten. Die griechische Bevölkerung reagiert bereits jetzt verängstigt auf die Krise und holt immer mehr Bargeld von den Konten, um es zu Hause zu lagern.

Griechenland: Ohne Euro kein Mitlied der Europäischen Union?

greece-714931_1280Nur 19 von 28 EU-Ländern haben den Euro. Eine Mitgliedschaft ist also nicht zwangsläufig an die Währung gebunden. Somit wäre theoretisch der Fortbestand der griechischen Mitgliedschaft auch ohne den Euro möglich.

Praktisch aber wäre Griechenland das erste Mitglied, das den Euro abschafft und ein folgender Austritt aus der EU wäre keine Überraschung. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz forderte in der faz bereits, dass Griechenland ohne den Euro auch aus der EU austreten müssen: „Was nicht geht: aus dem Euro ausscheiden, seine Schulden nicht zurückzahlen, aber erwarten, dass die Mittel aus dem EU-Haushalt weiter fröhlich fließen.“

Ob die Krise in Griechenland gelöst werden kann, vermag derzeit kein Experte mit gutem Gewissen zu beurteilen. Zu den ökonomischen Schwierigkeiten gesellen sich politische Verhandlungen, die undurchsichtig sind. Von der griechischen Regierung war bereits die Androhung zu hören, notfalls gebe es Neuwahlen. Im März äußerte sich Wolfgang Bosbach im Interview mit aktuellinfo skeptisch, was eine Rettung Griechenlands angeht. „Die Entscheidung fällt in Athen“, betonte der CDU-Abgeordnete.

Bosbach hat dem zweiten Hilfspaket im Bundestag nicht zugestimmt und wurde daraufhin parteiintern hart angegangen. In der vergangenen Woche verteidigte er seine Meinung in der Talkshow von Günther Jauch erneut und betonte, er werde nicht für ein drittes Hilfspaket stimmen – notfalls auch persönliche Konsequenzen ziehen.

Bevor jedoch über ein mögliches drittes Hilfspaket debattiert wird, muss eine Einigung über die kommende Zeit getroffen werden. Die Frist am 30. Juni ist nämlich nur die nächste, innerhalb derer die griechische Regierung Rückzahlungen leisten müsste. Bis dahin werden sich die Verhandelnden einigen müssen – ebenso, wie mit kommenden Fristen verfahren wird.


AKTUALISIERUNG:

Der große Poker zieht sich in die Länge. Es gibt mehrere Treffen der europäischen Finanzminister und Regierungschefs, die aber keinen Fortschritt bringen. Im Gegenteil: Die aktuelle Entwicklung deutet auf einen Austritt Griechenlands hin. Die Gläubiger und Griechenland näherten sich in den Verhandlungen an (bestimmte Reformen wurden von Alexis Tsipras akzeptiert), ehe Tsipras eine Volksabstimmung für den 5. Juli ankündigte.

Darin sollen die Griechen entscheiden, ob sie den Bedinungen zustimmen – weil sich die Reformen auf mehrere Generationen auswirkten, so Tsipras. Daraufhin zogen die Gläubiger ihr Angebot verärgert zurück. „Griechenland hat den Verhandlungstisch verlassen“, kommentiert der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble.

 

 

 

G7-Gipfel: Weltverbesserung oder nur heiße Luft?

In zwei Tagen wollen die mächtigen Regierungs- und Staatschefs dieser Welt Veränderungen bewirken. Unmöglich und angesichts der hohen Kosten für dieses Treffen unnötig, sagen Kritiker des G7-Gipfels. Das zweitägige Treffen fand in diesem Jahr auf Schloß Elmau in Garmisch-Partenkirchen statt.

Der Leittitel des  G7-Gipfels war „An morgen denken. Gemeinsam handeln.“ Genau hierin liegt der Ansatzpunkt für Kritiker: Wirkliche Handlungen, ein wirkliches Umdenken findet nach den Gipfeln selten statt, monieren sie. Ebenso sei es ein geheimes und ineffizientesTreffen. Auch Globalisierungsgegner waren unter den Protestanten.

Internationaler Konflikt: Russland von dem wichtigen Treffen ausgeschlossen

An dem Treffen sind die sieben wichtigsten Industrienationen beteiligt: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. Jahrzehntelang war es ein G8-Gipfel – Russland wurde allerdings im vergangenen Jahr aufgrund seiner Politik von weiteren Treffen ausgeschlossen.

210 Millionen Euro kostet der Gipfel laut Innenministerium, die größtenteils vom Freistaat Bayern (130 Millionen Euro), aber auch vom Bund (80 Millionen Euro) getragen werden. Der Bund der Steuerzahler hingegen rechnete 360 Millionen Euro vor. 24 000 Polizisten, 17 Kilometer lange Absperrungen: Der riesige Aufwand steht im totalen Kontrast zu dem ländlichen Veranstaltungsort. Die Gipfel-Befürworter entgegnen, dass auch das riesige mediale Interesse an dem Treffen für Kosten sorgt: Arbeitsbereiche für 3 000 Journalisten mussten geschaffen werden.

Viele Themenbereiche wurden von den Teilnehmern besprochen. Dabei handelt es sich um vier hauptsächliche Bereiche.

Wirtschaft: TTIP bis Jahresende unter Dach und Fach

Auf dem Gipfel wurde unter den Teilnehmern deutlich, dass das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP abgeschlossen werden soll. Die Verhandlungen stocken, auf Seiten der EU – vor allem in Deutschland – gibt es Vorbehalte gegen bestimmte Vertragsinhalte, wie beispielsweise die nicht-öffentlichen Schiedsgerichte. Die G7-Teilnehmer wollen die Verhandlungen beschleunigen.

Terror: Der gemeinsame Gegner IS soll bekämpft werden

Der Terrorbewegung Islamischer Staat soll vehementer entgegen gewirkt werden. „Wir stehen Seite an Seite mit allen Ländern und Regionen, die unter den brutalen terroristischen Handlungen zu leiden haben“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Auch dass Konten von mutmaßlichen Terorristen international eingefroren werden, soll verpflichtend und für die Länder vereinfacht werden.

Umwelt: G7-Staaten bekennen sich zum Zwei-Grad-Ziel

Die internationalen Klima-Experten möchten bis zum Jahr 2100 den erwarteteten Temperaturenanstieg auf zwei Grad begrenzen. Um das sogenannte „Zwei-Grad-Ziel“ zu erreichen, wollen die G7-Vertreter aus der Energiegewinnung durch Gas, Kohle und Öl aussteigen.

Bis 2050 sollen die Treibhaus-Gase um 40 bis 70 Prozent zurückgehen. In einem Kommentar lobt Clemens Verenkotte vom Bayrischen Rundfunk die Ergebnisse als Meilenstein: „Wenige Monate vor der wichtigen UN-Klimakonferenz in Paris ist es vor allem US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel gelungen, (…) die gesamte G7-Gruppe auf diese Ziele zu verpflichten.“

Gesundheit: Angst vor Epidemien

Der Kampf gegen Krankheiten solle international koordiniert werden, sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ebola-Epidemie an.  „Wir sind fest entschlossen, die Ebola-Fallzahlen auf null zu reduzieren“, heißt es in der Erklärung. Dafür müsse auch das Gesundheitssystem in vielen Ländern verbessert werden, betonte Merkel.

Die Gemeinde Krün, in der der Gipfel stattfand, profitiert in jedem Fall: Infrastrukturelle Verbesserungen der Gegend bleiben der Gemeinde erhalten. Vor dem G7-Gipfel gab es Proteste und Kritik aufgrund der hohen Kosten. Dass nach dem Treffen aber hauptsächlich über dessen Ergebnisse gesprochen wurde, spricht für die Effizienz des Zusammenkommens.

Ob der Gipfel die Welt wirklich ein Stück weit verbessert, oder es – wie die Kritiker vorhersagten – nur heiße Luft war, liegt an den Regierungschefs. Diese müssen die Absprachen konsequent umsetzen. In manchen Belangen, wie dem Erreichen des Zwei-Grad-Ziels, haben sie durch die konkrete gemeinsame Festlegung von Zielen keine andere Möglichkeit, als sich diesen zu stellen.

„Ich sehe mich als Initialzünder“

Nach dem Aus im Playoff-Halbfinale versuchte Hallensprecher Tom Böttcher das Unmögliche. Im Fantalk sprach er direkt nach dem Spiel zu den Alba-Fans: „Stimmen euch ein paar Statistiken aus dem Spiel fröhlich? Sollen wir Bayern-Witze erzählen?“ Die Fans waren kaum zu erheitern, zu bitter war das Ausscheiden.

Der Hallensprecher moderiert auch die Morgensendung von RadioEins. Zu Heimspielen der Albatrosse gibt er aber in der O2-World alles für den Erfolg („Holen wir uns die Kirsche auf der Sahnetorte!„). Mit aktuellinfo sprach Böttcher darüber, wie er die Fans anheizt und wie er das Ausscheiden von Alba verarbeitet.

Herr Böttcher, im gestrigen Spiel gab es Phasen, in denen die Fans wegen des Rückstands unter Schock standen. Was sind Ihre Techniken, um als Hallensprecher in solchen Situationen wieder zu lauter Stimmung zu animieren?

Böttcher: „Die Fans bei Alba haben einen hohen Basketball-Verstand und wissen genau, wann stimmungsmäßig etwas zu bewegen ist. Ich sehe mich als Initialzünder, der eher versucht, das „normale Publikum“ zu animieren, das möglicherweise noch nicht oft die Erfahrung gemacht hat, dass man im BB auch einen 20-Punkte-Rückstand noch aufholen kann. Ich schrei sie nicht an, sondern versuche ihnen durch meine Erfahrung zu vermitteln, dass sie eine Menge Spaß haben können.“

Welchen Einfluss sprechen Sie den Fans auf den Spielverlauf zu und welchen Einfluss Ihnen als Motivator?

Böttcher: „Die Fans haben einen sehr großen Einfluss auf das Spiel, sie pushen das eigene und verunsichern das gegnerische Team. Mein Einfluss ist begrenzt, Hallensprecher sollten nie  Alleinunterhalter sein.“

Warum hat es gegen den FC Bayern München trotz zuvor makelloser Heimbilanz nicht gereicht?

Böttcher: „Möglicherweise lag es an solch profanen Dinge wie der Trefferquote.  Die war bei Alba schlecht, bei München grandios. Auf keinen Fall lag es am Einsatz und Willen. Der war riesig. Es gibt halt so Tage, wo zu wenig von außen fällt, tragischerweise war das in diesem Entscheidungsspiel so.“

Wie ist Ihre Devise nach einer solch enttäuschenden Niederlage: Volle Kraft voraus oder in Stille trauern?

Böttcher: „Wenn die Saison weitergeht, dann natürlich volle Kraft voraus und gleich in nächsten Spiel besser machen. Wenn die Saison – wie gestern – durch einen fehlenden Korb so abrupt endet, dann fühle ich große Traurigkeit und lebe die auch aus. Mit Leib und Seele heißt ja nicht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit, sondern auch Mitfiebern und Mitleiden, vor allem bei so einem bewundernswerten Team wie diese Saison. Wahnsinnstypen, hat richtig Spaß gemacht!“


 

Mehr zu Tom Böttcher: https://mein.radioeins.de/profile/profileView.xhtml?userId=157750865

Verwendung des Bildes mit freundlicher Genehmigung von Thomas Schmidt, radioeins und Tom Böttcher.