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Griechen-Poker: Die Wege aus der Krise

Nie schien die Euro-Krise bedrohlicher, nie schien Griechenland einem Austritt aus der Europäischen Union näher. Inmitten der Verhandlungen verwischen die eigentlichen Zustände und möglichen Lösungen allerdings. Griechische Neuwahlen, Austritt aus dem Euro, Austritt aus der Europäischen Union, Rettung – wie wahrscheinlich, wie bedrohlich sind die Szenarien?

Verhandlungen vor dem Scheitern: Nun sind Merkel und Tsipras gefragt

Alle Verhandlungspartner möchten Griechenland im Euro halten – so die offizielle Haltung. Aus deutscher Sicht wird die zugespitzte Situation auch an den Akteuren deutlich. Nicht mehr Finanzminister Wolfgang Schäuble verhandelt mit seinem griechischen Pendant Yanis Varoufakis, sondern Bundeskanzlerin Angela Merkel und der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Worum geht es bei den Verhandlungen? Die Geldgeber – die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) möchten, dass die Griechen Reformen strikter umsetzen – die griechische Regierung aber möchte, dass die Gläubiger auf einen Teil der Rückzahlungen verzichten. Um die Schulden abzutragen, soll das Land anfangen, Gewinne zu erwirtschaften. Das ist zwar mit einer Erhöhung der Steuern verbunden, wurde aber von Tsipras akzeptiert.

Auch beim Thema Privatisierung kommen sich die Gläubiger und Griechenland näher. Für die Privatisierung unter anderem der Eisenbahn und Regionalflughäfen sowie dem Verkauf von staatlichen Grundstücken sollen nach Angaben der SZ bis 2022 etwa 22 Milliarden Euro erwirtschaftet werden. Beim Thema Steuern hingegen sind sich die beiden Parteien noch nicht einig. Dies ist ein Punkt, an dem die griechische Regierung ihre Bevölkerung vor allzu großen Einschnitten bewahren möchten. Nach Informationen der Bild soll Tsipras mittlerweile aber auch hier kompromissbereit sein.

Ende Juni wird es gefährlich: 1,5 Milliarden Euro muss Griechenland zurückzahlen

Der IWF stellte bisher insgesamt 32,1 Milliarden Euro bereit. Dass sich die Verhandlungen nun zuspitzen, liegt an Fristen zur Rückzahlung. Die nächste Rückzahlung steht am 30. Juni an: Es geht um 1,5 Milliarden Euro des IWF. Nach Medienberichten soll die griechische Regierung nicht zur Rückzahlung fähig sein und ersucht nun deshalb Verhandlungen.

Eine endgültige Lösung des Problems ist auch beim heutigen Sondergipfel nicht zu erwarten. Dabei treffen sich die EU-Regierungschefs und beraten auch über neue Vorschläge, die Tsipras unterbreitet. Nach einem Bericht der Welt sehen die Vorschläge unter anderem neues Geld vor: Zur Rückzahlung bestehender Kredite sowie zum Fördern der griechischen Wirtschaft.

Folgen eines „Grexit“ für Deutschland, Europa und Griechenland

Am Anfang der Griechenland-Krise wurde der „Grexit“, der Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, von den Akteuren vehement ausgeschlossen. Die Meinungen haben sich geändert: Im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Merkel schließt Schäuble einen Austritt Griechenlands nicht mehr aus. Was wären die Folgen?

Für Deutschland hieße das, dass die bisherigen Kreditleistungen höchstwahrscheinlich verloren sind. Frankreich steckt in einem ähnlichen Dilemma, hat viel gegeben: Zusammen verlören die beiden Länder mit einem Schlag 160 Milliarden Euro. Die Auswirkungen auf die Börse sowie auf Anleger können selbst von Experten schwer eingeschätzt werden – positiv fallen die Prognosen natürlich nicht aus. Alleine deshalb versuchen die Verhandelnden in ihren Aussagen den „Grexit“ auszuschließen.

Für Europa hieße das, dass ein erstes Mitglied den Euro abgeschafft hätte. Für die Stabilität der Euro-Zone wäre das zu verkraften. Drastischer könnte aber die Signalwirkung sein. Andere angeschlagene Länder könnten dem Beispiel Griechenlands folgen oder mit dem Austritt drohen, um strikten Reformen zu entgehen. Die Solidarität unter europäischen Ländern steht derzeit vor harten Proben. Der Euro ist das gemeinsame Projekt – scheitert ein Land, sind die Folgen unvorhersehbar.

Für Griechenland hieße das: Es bedarf einer neuen Währung. Dieses Szenario beschreibt der Spiegel wie folgt: Bis eine neue Währung eingesetzt werden würde, liefe der griechische Zahlungsverkehr beispielsweise beim Supermarkt über Schuldscheine. Erfahrungsgemäß trauen die Menschen diesen Schuldscheinen nicht die gleiche Sicherheit wie Geldscheinen an und würden diese quasi automatisch abwerten.

Diese Abwertung würde auch mit der später eingeführten neuen Währung folgen – das neue griechische Geld wäre weitaus weniger wert, als der Euro oder andere Währungen. Was diese Vorgänge in der Bevölkerung auslösen, können Experten ebenfalls nur vage vorhersagen – allerdings ist in der ohnehin angespannten Situation viel Ärger zu erwarten. Die griechische Bevölkerung reagiert bereits jetzt verängstigt auf die Krise und holt immer mehr Bargeld von den Konten, um es zu Hause zu lagern.

Griechenland: Ohne Euro kein Mitlied der Europäischen Union?

greece-714931_1280Nur 19 von 28 EU-Ländern haben den Euro. Eine Mitgliedschaft ist also nicht zwangsläufig an die Währung gebunden. Somit wäre theoretisch der Fortbestand der griechischen Mitgliedschaft auch ohne den Euro möglich.

Praktisch aber wäre Griechenland das erste Mitglied, das den Euro abschafft und ein folgender Austritt aus der EU wäre keine Überraschung. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz forderte in der faz bereits, dass Griechenland ohne den Euro auch aus der EU austreten müssen: „Was nicht geht: aus dem Euro ausscheiden, seine Schulden nicht zurückzahlen, aber erwarten, dass die Mittel aus dem EU-Haushalt weiter fröhlich fließen.“

Ob die Krise in Griechenland gelöst werden kann, vermag derzeit kein Experte mit gutem Gewissen zu beurteilen. Zu den ökonomischen Schwierigkeiten gesellen sich politische Verhandlungen, die undurchsichtig sind. Von der griechischen Regierung war bereits die Androhung zu hören, notfalls gebe es Neuwahlen. Im März äußerte sich Wolfgang Bosbach im Interview mit aktuellinfo skeptisch, was eine Rettung Griechenlands angeht. „Die Entscheidung fällt in Athen“, betonte der CDU-Abgeordnete.

Bosbach hat dem zweiten Hilfspaket im Bundestag nicht zugestimmt und wurde daraufhin parteiintern hart angegangen. In der vergangenen Woche verteidigte er seine Meinung in der Talkshow von Günther Jauch erneut und betonte, er werde nicht für ein drittes Hilfspaket stimmen – notfalls auch persönliche Konsequenzen ziehen.

Bevor jedoch über ein mögliches drittes Hilfspaket debattiert wird, muss eine Einigung über die kommende Zeit getroffen werden. Die Frist am 30. Juni ist nämlich nur die nächste, innerhalb derer die griechische Regierung Rückzahlungen leisten müsste. Bis dahin werden sich die Verhandelnden einigen müssen – ebenso, wie mit kommenden Fristen verfahren wird.


AKTUALISIERUNG:

Der große Poker zieht sich in die Länge. Es gibt mehrere Treffen der europäischen Finanzminister und Regierungschefs, die aber keinen Fortschritt bringen. Im Gegenteil: Die aktuelle Entwicklung deutet auf einen Austritt Griechenlands hin. Die Gläubiger und Griechenland näherten sich in den Verhandlungen an (bestimmte Reformen wurden von Alexis Tsipras akzeptiert), ehe Tsipras eine Volksabstimmung für den 5. Juli ankündigte.

Darin sollen die Griechen entscheiden, ob sie den Bedinungen zustimmen – weil sich die Reformen auf mehrere Generationen auswirkten, so Tsipras. Daraufhin zogen die Gläubiger ihr Angebot verärgert zurück. „Griechenland hat den Verhandlungstisch verlassen“, kommentiert der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble.

 

 

 

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G7-Gipfel: Weltverbesserung oder nur heiße Luft?

In zwei Tagen wollen die mächtigen Regierungs- und Staatschefs dieser Welt Veränderungen bewirken. Unmöglich und angesichts der hohen Kosten für dieses Treffen unnötig, sagen Kritiker des G7-Gipfels. Das zweitägige Treffen fand in diesem Jahr auf Schloß Elmau in Garmisch-Partenkirchen statt.

Der Leittitel des  G7-Gipfels war „An morgen denken. Gemeinsam handeln.“ Genau hierin liegt der Ansatzpunkt für Kritiker: Wirkliche Handlungen, ein wirkliches Umdenken findet nach den Gipfeln selten statt, monieren sie. Ebenso sei es ein geheimes und ineffizientesTreffen. Auch Globalisierungsgegner waren unter den Protestanten.

Internationaler Konflikt: Russland von dem wichtigen Treffen ausgeschlossen

An dem Treffen sind die sieben wichtigsten Industrienationen beteiligt: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. Jahrzehntelang war es ein G8-Gipfel – Russland wurde allerdings im vergangenen Jahr aufgrund seiner Politik von weiteren Treffen ausgeschlossen.

210 Millionen Euro kostet der Gipfel laut Innenministerium, die größtenteils vom Freistaat Bayern (130 Millionen Euro), aber auch vom Bund (80 Millionen Euro) getragen werden. Der Bund der Steuerzahler hingegen rechnete 360 Millionen Euro vor. 24 000 Polizisten, 17 Kilometer lange Absperrungen: Der riesige Aufwand steht im totalen Kontrast zu dem ländlichen Veranstaltungsort. Die Gipfel-Befürworter entgegnen, dass auch das riesige mediale Interesse an dem Treffen für Kosten sorgt: Arbeitsbereiche für 3 000 Journalisten mussten geschaffen werden.

Viele Themenbereiche wurden von den Teilnehmern besprochen. Dabei handelt es sich um vier hauptsächliche Bereiche.

Wirtschaft: TTIP bis Jahresende unter Dach und Fach

Auf dem Gipfel wurde unter den Teilnehmern deutlich, dass das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP abgeschlossen werden soll. Die Verhandlungen stocken, auf Seiten der EU – vor allem in Deutschland – gibt es Vorbehalte gegen bestimmte Vertragsinhalte, wie beispielsweise die nicht-öffentlichen Schiedsgerichte. Die G7-Teilnehmer wollen die Verhandlungen beschleunigen.

Terror: Der gemeinsame Gegner IS soll bekämpft werden

Der Terrorbewegung Islamischer Staat soll vehementer entgegen gewirkt werden. „Wir stehen Seite an Seite mit allen Ländern und Regionen, die unter den brutalen terroristischen Handlungen zu leiden haben“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Auch dass Konten von mutmaßlichen Terorristen international eingefroren werden, soll verpflichtend und für die Länder vereinfacht werden.

Umwelt: G7-Staaten bekennen sich zum Zwei-Grad-Ziel

Die internationalen Klima-Experten möchten bis zum Jahr 2100 den erwarteteten Temperaturenanstieg auf zwei Grad begrenzen. Um das sogenannte „Zwei-Grad-Ziel“ zu erreichen, wollen die G7-Vertreter aus der Energiegewinnung durch Gas, Kohle und Öl aussteigen.

Bis 2050 sollen die Treibhaus-Gase um 40 bis 70 Prozent zurückgehen. In einem Kommentar lobt Clemens Verenkotte vom Bayrischen Rundfunk die Ergebnisse als Meilenstein: „Wenige Monate vor der wichtigen UN-Klimakonferenz in Paris ist es vor allem US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel gelungen, (…) die gesamte G7-Gruppe auf diese Ziele zu verpflichten.“

Gesundheit: Angst vor Epidemien

Der Kampf gegen Krankheiten solle international koordiniert werden, sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ebola-Epidemie an.  „Wir sind fest entschlossen, die Ebola-Fallzahlen auf null zu reduzieren“, heißt es in der Erklärung. Dafür müsse auch das Gesundheitssystem in vielen Ländern verbessert werden, betonte Merkel.

Die Gemeinde Krün, in der der Gipfel stattfand, profitiert in jedem Fall: Infrastrukturelle Verbesserungen der Gegend bleiben der Gemeinde erhalten. Vor dem G7-Gipfel gab es Proteste und Kritik aufgrund der hohen Kosten. Dass nach dem Treffen aber hauptsächlich über dessen Ergebnisse gesprochen wurde, spricht für die Effizienz des Zusammenkommens.

Ob der Gipfel die Welt wirklich ein Stück weit verbessert, oder es – wie die Kritiker vorhersagten – nur heiße Luft war, liegt an den Regierungschefs. Diese müssen die Absprachen konsequent umsetzen. In manchen Belangen, wie dem Erreichen des Zwei-Grad-Ziels, haben sie durch die konkrete gemeinsame Festlegung von Zielen keine andere Möglichkeit, als sich diesen zu stellen.

Zwei Jahre NSA-Enthüllungen für Nichts?

Sieht man das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland als Verhältnis zwischen zwei Freunden, so mag man gar nicht glauben, dass die Freundschaft weiterhin besteht. Anders formuliert: Wie kann man einem Freund trauen, der einen hintergeht, dann nicht Rede und Antwort steht, um schließlich weiter zu hintergehen.

Das Ausmaß des Skandals ist eigentlich groß. Die National Security Agency (NSA) holt sich seit Jahren mit Überwachungsmethoden Telefon- und Internetdaten ein. In ihrer Kritik und Schlussfolgerung hält sich die Bundesregierung aber zurück. Auch als die deutsche Regierung in persona Angela Merkel durch das Ausspähen ihres Handys persönlich angegriffen wurde, beließ es die Kanzlerin bei der Aussage: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“

Spionage-Ziele: Von Bürgern über Unternehmen, bis hin zu Regierungen

Die NSA hat sich sehr intensiv um ihr Aufgabengebiet, den Geheimdienst im Ausland, gekümmert. Daten von verbündeten und nicht verbündeten Ländern, einzelne Politiker, Kommissionen, Unternehmen, Bürger – der amerikanische Geheimdienst hat in großem Stil spioniert. Dieser Skandal wäre ohne einen ehemaligen Mitarbeiter des Geheimdienstes nicht an die Öffentlichkeit gelangt.

Für die Einen ist Edward Snowden ein Held, für die anderen ein Verräter. Der Amerikaner hat im Sommer vor zwei Jahren über großes Unrecht berichtet – gleichzeitig aber Dienstgeheimnisse seines Arbeitgebers verraten. Letzteres wirft ihm der amerikanische Staat vor, Snowden ist wegen Spionage angeklagt.

Snowden führt ein Leben im Verborgenen – der große Dank bleibt aber aus

Wenn man die weltweite Resonanz auf seine Enthüllungen beobachtet, stellt sich die Frage: Hat es sich gelohnt? Snowden führt ein Leben auf der Flucht, lebt mittlerweile in Russland. Eine Rückkehr in sein Heimatland ist vorerst nicht denkbar, schon gar nicht straffrei. Nach einer großen Welle der Empörung ebbte die Wut auf die NSA über die Zeit ab.

Dabei hätten die Ausspionierten allen Grund zur Verärgerung. Die NSA argumentiert mit der Terrorgefahr – gerät aber angesichts der Spionage von Unternehmen in Erklärungsnot. Antworten erhielt die Bundesregierung damals von keinem führenden Regierungspolitiker der USA. Auch dann nicht, als Kanzleramtsminister Peter Altmaier im Auftrag des Bundestags persönlich einreiste. Aus dem Weißen Haus war lediglich zu hören, dass die Kommunikation der Bundeskanzlerin nicht abgehört werde – zur Vergangenheit kein Kommentar.

NSA-Ausschuss: Sollte aufklären, wird aber ebenfalls ausspioniert

Im März 2014 gründete die Bundesregierung den NSA-Ausschuss. Dieser sollte die Lage aufklären – im Juli wurde bekannt, dass die USA einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) damit beauftragten, Informationen über den NSA-Ausschuss einzuholen. Ein weiterer und sehr harter Affront, der dem deutsch-amerikanischen Verhältnis aber keinen Abbruch tat.

Im Zuge eines neuerlichen Skandals um die NSA-Affäre blieb Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenfalls zurückhaltend. So wurde nun bekannt, dass die NSA auch nach Aufkommen der Snowden-Enthüllungen im Sommer 2013 noch monatelang Spionage betrieben hat. Der BND wurde von der NSA missbraucht, indem Suchbegriffe untergeschoben wurden.

BND und NSA: Spionierte der deutsche Geheimdienst im Auftrag der USA?

So hat der BND quasi im Auftrag der NSA unter deutschen und europäischen Unternehmen und Institutionen spioniert. Dabei soll es sich um etwa 40 000 solcher Suchbegriffe gehandelt haben. „Der Verrat“, titelte der Spiegel dazu in seiner aktuellen Ausgabe und konstatiert im Untertitel: „BND und Bundesregierung gegen deutsche Interessen.“

Viele Fragen sind derzeit offen. Wie konnte es der NSA gelingen, dass der BND in amerikanischem Interesse ausspionierte? Handelte der BND freiwillig in Kooperation mit den Amerikanern? Was wusste die deutsche Regierung? Wie gut oder schlecht Deutschland im NSA-Skandal dasteht, wird auch davon abhängen, wie die Aufklärung von nun an betrieben wird.

 

 

 

 

 

 

 

Deutschland auf Konfrontation mit der Türkei

Die gewichtigen Worte fielen bei einem Gedenkgottesdienst anlässlich des 100. Jahrestags der Deportation von Armeniern. Bundespräsident Joachim Gauck sprach Vielen aus der Seele, fürchtete keine politischen Folgen. Der 75-Jährige nannte die Vertreibung und Hinrichtung von Armeniern im osmanischen Reich „Völkermord“. Am vergangenen Freitag beschloss der deutsche Bundestag ebenfalls, die Taten fortan als Völkermord zu bezeichnen.

Das Echo aus der Türkei, unter anderem vom türkischen Außenministerium, ist heftig. Dieses teilte mit, Gauck habe „kein Recht, die türkische Nation eines Verbrechens zu beschuldigen, das sie nicht begangen hat“ und betonte, das türkische Volk werde die Äußerungen „nicht vergessen und nicht vergeben.“ Gauck erwähnte in seiner Rede auch die deutsche Schuld.

Die nach dem Zusammenbruch des osmanischen Reichs entstandene Türkei lehnt die Bezeichnung Völkermord strikt ab. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte Deutschland, Frankreich und Russland, nach dem diese die Taten als „Völkermord“ bezeichneten. Demnach würden sie „Behauptungen aufstellen, die auf armenischen Lügen basieren.“ Erdogan bezeichnete die Taten als „traurige Ereignisse“, nicht aber als Völkermord.

Glaubenskonflikt vor dem 1. Weltkrieg: Armenier im osmanischen Reich unerwünscht

Die Armenier lebten vor dem ersten Weltkrieg in Persien, im osmanischen und russischen Reich. Im osmanischen Reich gab es schon länger gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Armeniern. Die muslimischen Osmanen verlangten von den christlichen Armeniern hohe Steuern, was deren Wunsch nach Eigenständigkeit voran trieb.

Dieser Wunsch wurde im ersten Weltkrieg zum Problem. Auf Angriffe des osmanischen Reichs gab es einen Gegenzug des russischen Reichs. Bei diesem Gegenzug schlossen sich manche Armenier der russischen Armee an. Sie hofften darauf, nach dem Krieg unabhängig zu sein.

Osmanische Führung beschloss Tötung aller Armenier

Die osmanische Führung wertete das als Sabotage und bekämpfte fortan alle Armenier. Die Armenier, die für die Osmanen kämpften, wurden ebenso entwaffnet und hingerichtet, wie Frauen und Kinder. Ein Deportationsgesetz befahl es den Zuständigen in der osmanischen Armee, gegen die Armenier vorzugehen. Diese wurden zunächst entwaffnet, gefangen genommen und dann hingerichtet oder auf Todesmärsche geschickt.

Das Ziel der Märsche war, zumindest inoffiziell, eindeutig: Die Vernichtung der Armenier. Die Märsche sollten nicht in einer Wiederansiedlung, sondern mit dem Tod enden. Es gab dabei Gouverneure, die sich weigerten, den Befehl durchzusetzen. Allerdings wurden diese abgesetzt und anschließend hingerichtet. Deutschland wusste von den Taten und Zielen, wollte aber die „Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite haben“, wie Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg Ende 1915 schrieb.

Streitpunkte: Begriff „Völkermord“ und Anzahl der Opfer

Sowohl in der Bezeichnung der Taten als Völkermord und in der Anzahl der Opfer gehen die Darstellungen der Türkei und anderer Ländern auseinander. Nach armenischen Angaben und der Ansicht vieler Experten liegt die Zahl der Opfer bei 1,5 Millionen Menschen. Die Türkei nennt 300.000 Opfer.

Wer die Taten im osmanischen Reich und damit auf dem Gebiet der heutigen Türkei als Völkermord bezeichnet, wird von Seiten der türkischen Regierung scharf kritisiert. Doch was wird offiziell als Vökermord bezeichnet? Die UN versteht darunter „Absichten, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.“

Bislang mied Deutschland die Bezeichnung Völkermord, was sich mit dem Beschluss des Bundestags am vergangenen Freitag nun ändert. Papst Franziskus benannte die Taten anlässlich des Gedenktages als Völkermord. Ebenso verwenden unter anderem Russland, Italien und Frankreich den Begriff. Die USA, Israel und bislang auch Deutschland vermieden die Bezeichnung.

Weiteres Streitpotential: EU fordert Türkei zur Richtigstellung auf

Im deutschen Bundestag lobte Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, Gauck für dessen „klare Worte“, kritisierte aber zugleich Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wäre es nach Ihnen gegangen, würden wir bis heute das türkische Narrativ wiederholen, dass es den Völkermord nicht gab.“

In dem Thema liegt weiteres Konfliktpotential. Das europäische Parlament fordert von der Türkei die Bezeichnung der Taten als Völkermord. Der türkische Präsident Erdogan lehnte das ab und kommentierte, die Aufforderung gehe „bei uns zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus“.

 

 

PKW-Maut: Gerecht oder diskriminierend?

Ein Versprechen vom bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer an seine Wähler in Bayern löste die mittlerweile europaweite Debatte um die PKW-Maut aus. Zur jährlichen Tagung der CSU Anfang 2013 versprach er seiner Partei, dass die PKW-Maut eingeführt werde. Nun, zwei Jahre später, konnte der 65-Jährige mit dem Beschluss im Bundestag  einen politischen Erfolg feiern. Die Mehrheit brachten die Union und SPD zustande, die Grünen- und die Linke-Abgeordneten stimmten größtenteils dagegen.

Der Begriff „Ausländer-Maut“, der mancherorts kursiert, ist inhaltlich nicht richtig. Das Thema betrifft zwar hauptsächlich Ausländer, viel mehr geht es aber um die Autos an sich: Im Ausland zugelassene PKW´s sind betroffen. Deren Halter müssen die Maut von bis zu maximal 130 Euro leisten. Zahlen müssen die Maut ab 2016 zunächst alle Autofahrer. Allerdings erhalten die nicht betroffenen Halter eine entsprechende Vergünstigung in der KFZ-Steuer.

Mögliche Hürden: Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof

Dieser Umstand ist zugleich der Kern des Streits. Werden lediglich ausländische Fahrzeughalter für die Benutzung der Straßen zur Kasse gebeten? Nach Meinung der Gegner ist dies verfassungsrechtlich und nach Europarecht nicht zulässig – deshalb hoffen sie auf eine Ablehnung des Gesetzes spätestens durch den Europäischen Gerichtshof. Ob die PKW-Maut in der Form den Prüfungen standhält, bleibt fraglich. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist davon überzeugt, wie er bei der Bundestagsabstimmung den Abgeordneten versicherte: „Sie ist europarechtskonform, glauben Sie es endlich!“

Die meisten EU-Staaten erheben zwar eine Maut, allerdings für inländische und ausländische PKW´s. Mit dieser Form der Maut wäre Deutschland bisher alleine. Abgesehen von der Rechtmäßigkeit ist die Frage nach der Rentabilität dieses Gesetzes ebenfalls ungeklärt. Zunächst rechnete Verkehrsminister Dobrindt mit 700 Millionen Euro an Einnahmen. Eine Studie ergab dann: Es kann lediglich mit 320 Millionen Euro kalkuliert werden, wovon noch Verwaltungskosten abgingen und gar nur 80 bis 140 Millionen Euro übrig blieben.

NRW-Verkehrsminister zu aktuellinfo: Mehr LKW-Maut statt PKW-Maut

Hier setzen die Kritiker ebenfalls an: Die Einnahmen seien für den im Gegenzug folgenden Ärger mit den Nachbarländern nicht hoch genug. Diesen befürchtet vor allem der Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek (SPD), wie er im Austausch mit aktuellinfo berichtet. Der 58-Jährige brachte den Begriff „Murks-Maut“ in Umlauf. Groschek rechnet damit, dass Belgien und die Niederlande als Konsequenz ebenfalls eine PKW-Maut einführen – was dann Autofahrer in NRW besonders betreffe.

Zudem bringe die Umsetzung der Maut voraussichtlich weniger als die von Bundesverkehrsminister Dobrindt prognostizierten 500 Millionen Euro an jährlichen Einnahmen und sei damit gegenüber den benötigten Geldern für Deutschlands Straßen in Höhe von jährlich 7,2 Milliarden Euro nicht sehr bedeutend. Dennoch ist es Geld, das Deutschlands Straßen zu Gute kommt. Die Frage ist nur: Ist es in dieser Höhe den drohenden Ärger wert?

Als Lösung schlägt Groschek vor, mehr Lastkraftwagen zur Kasse zu bitten. So solle das Limit der belangten LKW´s von 12,5 Tonnen auf 7,5 oder 3,5 Tonnen herabgesetzt und die Lkw-Maut auf alle Straßen ausgeweitet werden. Damit würden die tatsächlichen Verursacher von Straßen- oder Brückenschäden belangt, so der Verkehrsminister von NRW.

PKW-Maut: CSU setzt sich gegen CDU und SPD durch

Vor der Landtagswahl im September 2013 nutzte Seehofer das Thema nochmals, um sich gegen seinen damaligen Herausforderer, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) in Position zu bringen: „Wie man etwas durchsetzt in Berlin oder Brüssel, da habe ich jetzt wirklich reichlich Erfahrung.“ Am Ende reichte es für Seehofers CSU zur absoluten Mehrheit im bayrischen Landtag.

Ob gewollt oder nicht: Seehofer hatte sich mit dem Versprechen fest gerannt: „Ich könnte aus Koalitionsverhandlungen ohne die Maut für Ausländer nicht nach Bayern zurückkommen. Mit einem Prüfauftrag ist das nicht getan“, sagte er dem Spiegel im September 2013. Zu diesem Zeitpunkt ging er auf Konfrontatiosnkurs mit den anderen Parteien.

Bundeskanzlerin Merkel: Vom Nein zum „Jein“ und zum Ja

Kanzlerin Angela Merkel schloss beim TV-Duell um die Kanzlerkandidatur im Herbst 2013 die PKW-Maut noch aus: „Mit mir wird es keine PKW-Maut geben“, sagte sie da. Später wandelte sie ihre Aussage dann um. Kein deutscher Autofahrer dürfe durch die Maut zusätzlich belastet werden, forderte Merkel später. Die CSU um Seehofer hatte ihre Druckmittel um den Fortbestand der „Union“ gut ausgespielt. Weder die CDU, noch die CSU möchten die Union aufkündigen – was die bayrische Partei aber nicht davon abhält, die Grenzen dieser Zusammenarbeit zu testen.

Nun hat der Bundestag das Gesetz beschlossen. Mit diesem hat die Kanzlerin mit ihrem nachgebesserten Versprechen, deutsche Autofahrer dürften nicht zusätzlich belastet werden, zumindest Recht behalten. Ob mit der PKW-Maut das „Kind der CSU“ aber bald schon auf festen, statt auf wackligen Beinen steht, bleibt abzuwarten. Bislang waren aus Brüssel Zweifel zu hören, aber die EU-Kommission wollte zunächst den Beschluss abwarten.

Trauriges Jubiläum: Ein Jahr Krim-Anexion

ukraine-643633_1280 (Medium)Der „Ukraine-Konflikt“ hört sich niedlich an. Eine Auseinandersetzung, ein Disput oder Meinungsdifferenzen sind aber keine Begriffe, welche die Lage in diesem Land trefflich beschreiben.

50 000 Soldaten und Zivilisten sollen während des Krieges in der Ukraine ums Leben gekommen sein. Von dieser Zahl berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.Z.) und beruft sich auf Informationen aus deutschen Sicherheitskreisen.

Die F.A.Z. war es auch, die eine Studie in Auftrag gab, welche die Schuldfrage an dem Krieg klären sollte. Für die Mehrheit der Deutschen ist Putin dieser Schuldige. 55 Prozent schreiben Russland die Schuld zu, etwa ein Drittel sehen in den pro-russischen Seperatisten die Schuldigen. Nur jeder Fünfte glaubt, dass die Ukraine der Antreiber in dem Krieg ist.

Schon lange wird Putin in den Medien als Anführer des Bösen beschrieben und als „Feind der Welt“ bezeichnet. Zusätzlich zur medialen Berichterstattung liefert die Umfrage der F.A.Z. Zahlen: Lediglich acht Prozent der Deutschen haben demnach eine gute Meinung von dem russsichen Präsidenten. Doch wie kam es zu diesem Bild? Wie kam es zur Ukraine-Krise und wer ist schuldig?

In diesem Krieg gibt es hauptsächlich vier Parteien: Russische und ukrainische Truppen sowie von Russland unterstützte Milizen und unabhängige Milizen. Diese bekämpfen sich im Osten der Ukraine. Wenn von „pro-russischen Kräften“ die Rede ist, sind zwei Gruppierungen gemeint: Die eigentlichen russischen Truppen sowie die Milizen, die zumindest im Sinne Russlands agieren.

War der Sturz des ukrainischen Präsidenten der Auslöser?

Nach Meinung Russlands ist der Putsch gegen den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch der Auslöser der Krise. Dem Sturz Janukowitschs gingen radikale Auseinandersetzungen in der Ukraine voraus. Trotz vorhandener landwirtschaftlicher und industrieller Möglichkeiten war und ist die ukrainische Wirtschaft schwach.

Hinzu kommt viel Korruption, was weder der Zufriedenheit der Bevölkerung, noch der Wirtschaftsstärke zuträglich ist. Das trieb das Land mit seinen 46 Millionen Euro mehr und mehr in Richtung einer Staatspleite. Um diese zu verhindern, ersuchte der 2010 gewählte Präsident Viktor Janukowitsch Kredithilfen beim Internationen Währungsfonds (IWF). Wie schon zwei Mal zuvor gab es aber Diskrepanzen zwischen der Ukraine und dem IWF, was die Umsetzung von Reformen angeht.

Abkehr von der EU: Ukraine nimmt 15-Milliarden-Hilfe aus Russland an

Janukowitsch lehnte die angebotenen Kredite des IWF sowie ein Assoziierungsabkommens über eine engere Partnerschaft und freien Handel mit der EU im November 2013 ab. Daraufhin besorgte die Ukraine sich 15 Milliarden US-Dollar aus Russland, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Diese Entscheidung basierte auch auf Druck Russlands. Mehr als die Hälfte der ukrainischen Exporte gehen an den russischen Nachbarn. Nach dieser Entscheidung begannen die Proteste gegen den Präsidenten Janukowitsch, unter anderem von Vitali Klitschko und Julia Timoschenko angetrieben.

Im westlichen Teil des Landes wird ukrainisch, in wenigen südöstlichen Gebieten russisch gesprochen.  Im Westen finden die Oppositionellen vermehrt Unterstützer. Die Forderungen der Protestanten werden vehementer: Anfänglich wollten diese die Beziehung zur EU lediglich verbessern, später aber den Rücktritt von Janukowitsch. Der Präsident reagiert und verschärft die Gesetze. Im Januar 2014 kommt es dann auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew (Maidan) zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei – mehrere Menschen sterben.

Beide Seiten radikalisierten sich. Die Demonstranten besetzten unter anderem Regierungsgebäude, die Polizei griff immer härter durch. Nach einem Dialog mit EU-Außenministern bot Janukowitsch den Demonstranten Straffreiheit an, sollten sie die Gebäude räumen. Janukowitsch entließ die Regierung und bot vorgezogene Präsidentenwahl an. Mit der Opposition vereinbarte er im Februar 2014 ein solches Abkommen. Der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, unterschrieb das Abkommen als Vermittler ebenfalls.

Keine Sicherheit mehr: Janukowitsch musste fliehen

Unter den Protestanten taten sich in der Folge zwei Lager auf: Die Einen akzeptierten den neuen Kurs, die Radikaleren forderten weiterhin den Rücktritt des Präsidenten. Auf dessen Anordnung hin schossen die Polizisten auf Demonstranten. Nach einem bisher nicht zuordenbaren Befehl verließen die Polizisten die Regierungsgebäude. Folglich war Janukowitsch gezwungen, zu flüchten – zu groß war die Gefahr beim gestiegenen Hass der Bürger mittlerweile. Zudem wurde der 64-Jährige nun polizeilich gesucht.

Janukowitsch erklärte noch am gleichen Tag, er sei weiterhin Präsident dieses Landes, galt aber nun als abgesetzt. Das ukrainische Parlament wählte ihn mit knapp drei Viertel der Stimmen ab. Bis heute gilt diese Abstimmung als strittig, da der vorgegebene Grund, Janukowitsch habe das Land verlassen, nicht als offizieller Grund einer Amtsenhebung vorgesehen ist. Im Oktober vergangenen Jahres erklärte Putin, Russland habe Janukowitsch bei dessen Flucht geholfen. Aufgrund dessen, dass Janukowitsch strafrechtlich gesucht wurde, sperrte die EU seine Konten.

Russische LKW für Krisengebiete: Hilfsgüter oder Trojanisches Pferd?

Für eine weitere Eskalation sorgten im August 2014 russische Hilfsgüter für die betroffenen Krisenregionen in der Ukraine. 200 beladene Lastwagen standen an der Grenze.  Die Situation erinnerte an das Trojanische Pferd aus der griechischen Mythologie: Ukrainische Sicherheitskräfte durchsuchten die Transportwagen zunächst, weil sie darin russische Soldaten oder Waffenlieferungen befürchteten.

Der Grenzübergang bei Donezk war für die Überquerung vorgesehen. Dieser war längst in der Hand von Separatisten, die allerdings ukrainischen Kräften Zutritt versprachen. Die ukrainische Regierung schickte zudem selbst einen kleineren Konvoi mit Hilfsgütern in die Krisengebiete.

Schuldfrage: Was die USA, Deutschland und die EU denken

Trotz „vieler Rückschläge“ setzt Angela Merkel weiterhin auf Verhandlungen und damit eine „diplomatische Lösung“, teilte die Bundeskanzerlin im Februar bei einem Besuch im Weißen Haus mit. Eine militärische Lösung sehe sie nicht. US-Präsident Barack Obama hingegen sprach davon, Optionen über die diplomatische Lösung hinaus prüfen zu lassen. Dennoch betonte Obama: „Falls die Verhandlungen scheitern, werden die USA und Europa weiterhin gemeinsam reagieren.“

Klar ist: Die USA, Deutschland und die EU beziehen Stellung gegen Russland, damit für die Ukraine und treiben auch mit wirtschaftlichen Sanktionen eine Lösung der Krise voran. Putin hingegen sieht die USA für die Lösung der Krise nicht zuständig. Weitere Einblicke in seine Gedanken gab er bei einer Rede im Dezember 2014. Dabei bezeichnete er die Krim für Russland als „heilig“. Die Halbinsel habe eine „große zivilisatorische und sakrale Bedeutung – jetzt und für immer.“ Ob die Sanktionen die europäische Wirtschaft nicht ebenso schlimm treffen – es brechen viele russsiche Handelspartner weg – ist eine mögliche Kritik an der Strategie der EU.

Geschichte: Ist die Krim ukrainisch oder russisch?

Bei dem Krieg muss man geschichliche Aspekte berücksichtigen. Im Osten der Ukraine stammen viele Bürger historisch bedingt aus Russland ab. Deshalb war es keine Überraschung, dass bei einer Abstimmung die Bevölkerung der Krim für eine Wiedervereinigung mit Russland stimmte. Die Rahmenbedingungen dieses Referendums schienen aber nicht demokratisch: Ausländische Journalisten wurden bedrängt, das Wahlergebnis wurde international nicht anerkannt und selbst Berater Putins gaben zu, dass die Wahl gefälscht wurde.

Als Friedensabkommen von Minsk wurden zwei Versuche (letzterer im Februar diesen Jahres) bekannt, die von europäischen Außenministern und Vertretern aus der Ukraine und Russland unternommen wurden. Darin vereinbarten die Verhandlungspartner unter anderem Waffenruhe, die in diesem Jahr von den Russen bereits kurz nach der Unterzeichnung gebrochen wurde.

Unabsehbar bleibt der Ausgang der Krise. Die militärische Lage ist derzeit relativ ruhig. Dennoch spielen von der instabilen ukrainischen Regierung, der Gasversorgung der Russen bis hin zu einem Atomkrieg viele Faktoren eine bedrohliche Rolle. Auch die bisweilen schleierhaften Absichten Putins und sein möglicher Willen, weitere Gebiete der Ukraine zu annektieren, können jederzeit zu einer Verschärfung der Krise führen.

 

 

Weiterführende Quellen:

Ist die Berichterstattung in der Krise einseitig? Dieser Frage geht Hannah Beitzer für die Süddeusche Zeitung nach:

http://www.sueddeutsche.de/politik/berichterstattung-ueber-die-krim-krise-blick-aus-der-blase-1.1914499

Selten sind präzise Aussagen Putins zur Annexion der Krim zu lesen. Im vergangenen Dezember äußerte er sich aber in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation detaillierter. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete:

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/putin-krim-so-heilig-wie-der-tempelberg-13301910.html

Auf dem Youtube-Kanal „explainity einfach erklärt“ werden vor allem die historischen Belange um die Krim verdeutlicht:

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten bezeichnen die Sanktionspolitik der EU als falsche Strategie:

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/03/22/falsche-strategie-sanktionen-treffen-eu-haerter-als-russland/

Welche Interessen Putin an der wirtschaftssschwachen Krim haben könnte, versucht das Handelsblatt zu erörtern:

http://www.handelsblatt.com/politik/international/wenn-sie-es-genau-wissen-wollen-was-will-putin-auf-der-krim/9618688-4.html

DIE ZEIT nennt und erläutert die bisherigen Sanktionen der EU:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-01/europaeische-union-russland-sanktionen-ukraine-verlaengerung

 

Deal zwischen EU und USA rückt näher

Dass die USA und die EU über ein Freihandelsabkommen verhandeln, haben viele deutsche Bürger mittlerweile mitbekommen. Wer da aber was genau verhandelt, ist – auch aufgrund der mangelnden Transparenz – nur schwer nachzuvollziehen.

TTIP: Neue Wirtschaftskraft oder Verlust der eigenen Kultur?

Im vergangenen Sommer begannen die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen, TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) genannt. Konkret geht es um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen der EU und den Vereinigten Staaten, der die Märkte mitsamt ihren Gesetzen und Vorschriften näher zusammen bringen soll. Der Freihandel soll gestärkt und Investitionen geschützt werden.

Die Befürworter versprechen sich vor allem finanzielle Vorteile, die Kritiker befürchten den Verlust der eigenen Kultur. Hinter den mittlerweile acht Verhandlungsrunden steckt viel Undurchsichtiges. Bereits vor der ersten Verhandlung nahmen Lobbyisten bei Treffen mit den Zuständigen der EU-Kommission Einfluss.

Wie stark profitiert die Wirtschaft wirklich?

Über die wirtschaftliche Vorteile von TTIP lässt sich streiten. Erst jüngst musste der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) zugeben, falsche Angaben über zu erwartende Gewinne gemacht zu haben. So soll das Wirtschaftswachstum der EU nicht jährlich rund 100 Milliarden Euro einbringen, sondern in einem Zeitraum von zehn Jahren erreicht werden.

„Wenn die TTIP-Befürworter bei der Wahrheit bleiben, fallen die zu erwartenden wirtschaftlichen Effekte des Abkommens zusammen wie ein Soufflé im Ofen“, sagte Foodwatch-Chef Thilo Bode im Spiegel dazu. Bode veröffentliche mit seinem Buch „Die Freihandelslüge“ ein Projekt, das TTIP stoppen soll. „TTIP hebelt die Demokratie aus“, kritisiert der 68-Jährige.

Private Schiedsgerichte: Kritiker befürchten geheime Verhandlungen

Damit spricht er unter anderem auf die nicht-öffentlichen Schiedsgerichte an. Geplant ist, dass ausländische Unternehmen in Streitfällen vor diesen privaten Schiedsgerichten klagen können. Eigentlich sollen die Investitionen ausländischer Unternehmen damit vor unfairen Handlungen (bspw. Verstaatlichung von Eigentum) geschützt werden – der Missbrauch dieser Möglichkeit durch viele hohe Schadenersatzklagen wäre eine mögliche negative Folge.

Als großer Kritiker dieser Planung zeigt sich Siegfried Broß. Für den ehemaligen Verfassungsrichter verstoßen solche Regelungen gegen die deutsche Verfassung sowie EU-Recht. Im Interview mit aktuellinfo.com spricht er sich deshalb für öffentliche staatliche Schiedsgerichte aus: „Vertragliche Vereinbarungen zwischen Staaten sollten nicht ad-hoc und nicht geheim, sondern transparent gemacht werden.“

Bislang beharrte Vizekanzler Sigmar Gabriel auf der Position, dass Investitionen nicht geschützt werden müssten. Kürzlich aber kam die Kehrtwende: Gabriel bezeichnete „besondere Schiedsverfahren“ als „sinnvoll“. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel drückt auf das Gaspedal. Man müsse mit „Haut und Haaren, mit Elan und wirklicher Überzeugung“ verhandeln, sagte sie beim CSU-Parteitag im Dezember vergangenen Jahres.

Chlorhühnchen: Ein Symbol der Kritiker

Dabei versuchte die Kanzlerin, den Kritikern eine große Angst zu nehmen: „Es wird nicht ein einziger europäischer Standard verraten und abgemildert“. Bei diesem Punkt werden in der Debatte gerne die „Chlorhühnchen“ genannt. Während in Amerika Hühnerfleisch zum Teil mit Chlor desinfiziert wird, ist das im EU-Raum nur schwer vorstellbar.

Tatsächlich stecken hinter den Chlorhühnchen Bedenken der Europäer, dass amerikanische Produkte mit geringeren Hygienestandards den hiesigen Markt überschwemmen. Abgesehen davon wird – Stand jetzt – der Import solcher Hühner nicht stattfinden.

Daimler-Chef Zetsche: „Europa braucht TTIP“

Was sich negativ anmutet, hat auch seine Vorteile. Dadurch, dass Zölle und Beschränkungen abgebaut würden, soll der Handel angekurbelt werden. Unternehmen aus den USA könnten ihre Produkte verstärkt im EU-Raum vertreiben und anders herum. Laut einem Bericht der Südwest Presse kosten die Zölle die deutsche Autoindustrie jährlich eine Milliarde Euro. Von deren Wegfall verspricht sich Daimler-Chef Dieter Zetsche deshalb „mehr Export, mehr Beschäftigung und mehr Wohlstand“ und bilanziert: „Europa braucht TTIP.“

Die nächste Verhandlunsrunde zwischen der EU und den USA ist im April. Bis Ende des Jahres wollen die Verhandlungspartner das transatlantische Freihandelsabkommen abschließen.

 

Weiterführende Quellen:

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow belegt fünf Mythen über TTP:

http://blog.marco-buelow.de/2014/12/08/funf-mythen-uber-die-freihandelsabkommen-ttip-und-ceta/

Lobbypedia listet die Ergebnisse und Inhalte der bisherigen Verhandlungsrunden (mit Quellen):

https://www.lobbypedia.de/wiki/Chronik_der_TTIP-Verhandlungen

Für die Frankfurter Allgemeine haben Ralph Bollmann und Lisa Nienhaus einen sehr ausführlichen und lesenswerten Beitrag geschrieben. Die beiden Autoren untersuchen in einer Art Chronik unter anderem die mediale Berichterstattung und Protestbewegungen rund um TTIP:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ttip-und-freihandel/freihandelsabkommen-eu-usa-chronik-des-anti-ttip-protests-13442387.html

Stellungnahmen der Bundeskanzlerin sowie offizielle Ziele in den TTIP-Verhandlungen sind auf der Webseite der Bundesregierung zu lesen:

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Infodienst/2014/05/2014-05-20-ttip/2014-05-20-ttip-richtig-verstehen.html