Wenn nichts mehr geht

Der Tod liegt nicht in unserer Hand. Eigentlich. Was aber, wenn ein Mensch sein Leben aufgrund gewisser Umstände nicht mehr lebenswert findet? Der Bundestag debattiert in diesen Tagen über ein neues Gesetz zur Sterbehilfe. Die Meinungen der Abgeordneten sind dabei besonders breit gefächert, da es in dieser Debatte keinen Fraktionszwang gibt. Eine erste Bundestagsdebatte mit vielen emotionalen Reden gab es im vergangenen Dezember.

Neue Gelder: Künftig bundesweit 600 Millionen Euro für Sterbegleitung

In der Palliativarbeit werden die Schmerzen von todkranken Menschen gelindert, teilweise werden auch die Symptome einer Krankheit behandelt. Hospizarbeit dagegen soll es Menschen ermöglichen, in einer schönen Umgebung würdevoll zu sterben. Für den Ausbau dieser Bereiche plant die Bundesregierung jährlich 200 Millionen Euro mehr ein. So soll es auch auf dem Land künftig keine lückenhafte Versorgung mehr geben.

Noch in diesem Jahr stimmt der Bundestag über ein neues Sterbehilfe-Gesetz ab. In den bisherigen Reden zeigte sich bereits, die Politiker sind sich einig: Keiner soll sich qualvoll umbringen müssen. Ebenso herrscht unter den Abgeordneten Einigkeit darüber, dass Sterbehilfevereine keinesfalls profitorientiert arbeiten sollen. Auch die aktive Sterbehilfe, also der Todeswunsch ohne medizinische Not, soll weiterhin verboten sein.

Soweit war es das mit der Einigkeit. Die Abgeordneten sprachen für sich und ihre Entwürfe, teilweise gegen Politiker der eigenen Fraktion. Parteiübergreifend gibt es vier Gesetzentwürfe:

1.: Ärzte sollen beim Suizid helfen dürfen

Bisher bewegen sich Ärzte in Deutschland in einer Grauzone, was Sterbehilfe angeht. Behilfe zum Suizid ist zwar bislang straffrei, aber mehrere Landesärztekammern verbieten Ärzten diese Möglichkeit. Mit dem Antrag von CDU- und SPD-Politikern soll passive Sterbehilfe künftig im BGB für Ärzte ausdrücklich erlaubt sein.

Die Voraussetzung: Der Patient muss volljährig, unheilbar krank sein und einwilligen – ein zweiter Arzt muss das dann bestätigen. Man dürfe die Tür für die kleine Gruppe von Menschen, die den Tod trotz „aller Angebote der Palliativmedizin“ als nicht würdevoll empfinden, nicht verschließen, betonte Mitantragssteller Karl Lauterbach von der SPD.

2.: Sterbehilfevereine erlaubt – solange nicht profitorientiert

Sterbehilfevereine sind umstritten. So war in der Debatte von Menschen zu hören, die in Beratungsgesprächen solcher Vereine zum Tod gedrängt wurden. Für solche Fälle, in denen Sterbehilfevereine lediglich auf Profit aus sind, solle es Haftstrafen von bis zu drei Jahren geben, fordert dieser Antrag von Grünen- und Linken-Politikern. Auch Ärzte sollen Rechtssicherheit haben und passive Sterbehilfe ausführen dürfen.

3: Jeden Fall einzeln bewerten

Dieser Entwurf ist der einzige, an dem Abgeordnete aus allen Fraktionen beteiligt sind und bei dem auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe seine Zustimmung signalisiert. Auch hier soll verhindert werden, dass Sterbehilfevereine profitorientiert arbeiten, ebenso unter Androhung einer Haftstrafe. Vereinzelt solle es aber erlaubt sein, im Fall einer „schwierigen Konfliktsituation.“

4: Sterbehilfe streng bestrafen

Ein Antrag aus der CDU möchte Sterbehilfe jedweder Form verbieten. Anstiftung oder Hilfe zur Selbsttötung soll mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden, fordern die Antragsteller. Damit wäre Sterbehilfe für Ärzte, Angehörige und Vereine verboten. Lediglich für einen Ausnahmefall mit extrem großem Leid lassen sich Abgeordneten hier eine Hintertür offen.

Mehr Möglichkeiten = mehr Selbsttötungen?

Die Anträge reichen also von einem strikten Sterbehilfeverbot, über eine Erlaubnis für Ärzte bis hin zu einer Legitimation auch für Sterbehilfevereine. Verschiedene Argumente treffen in der Debatte aufeinander. „Auch bei Sterbehilfe schafft Angebot Nachfrage“, warnte Michael Brand von der Union.

Diese These unterstützt Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler und verglich die Situation mit Zeiten des Sturm und Drangs, in denen das Buch „Die Leiden des jungen Werthers“ viele nachahmende Suizide zur Folge hatte. Unions-Politiker Peter Hintze widersprach diesem Bild und kritisierte, diese Warnungen seien „tiefes Misstrauen gegenüber unseren Ärzten“ und „gegenüber dem Menschen, der frei und selbstbestimmt sein Leben führen will.“

Müssen wir Leiden als Teil des Lebens hinnehmen?

Auch die Freiheit über das eigene Leben ist ein Grundargument. Petra Sitte, Abgeordnete der Linken, hat ihren Vater beim Sterben begleitet. Er habe schwer gelitten und in den letzten Tagen seines Lebens die Nahrungsaufnahme verweigert, ehe „er endlich mit multiplem Organversagen hinüberdämmern konnte“, berichtete sie.

Für Tausende sei es eine „schreckliche Vorstellung“, dem Tod gut gepflegt entgegenzugehen, betonte die bekennende Atheistin. Dagegen kritisierte Rudolf Henke von der Union, es werde der Eindruck erweckt, dass lediglich der Suizid ein Sterben in Würde sei. Dabei bringe „unsere Bedingtheit als sterbliche Menschen“ auch ein Leben mit sich, das mit eigenem Leiden konfrontiert werde.

Die Debatte drehte und wird sich um diese Argumente drehen. Die Politiker werben für ihre Überzeugungen, dieses Mal frei von jeder politischen Orientierung, oft aufgrund persönlicher Erfahrungen. Für eine Regelung der Sterbebegleitung brauche die Politik eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, äußerte Carola Reimann von der SPD, und schlussfolgerte: „Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte.“ Die wird es nun geben.

 

 

 

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