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Keine Alleingänge möglich

Für die Lösung der Griechenland-Krise braucht es Einigkeit. Weder die Gläubiger, noch die Schuldner können das Problem im Alleingang lösen. Nur wenn die griechische Regierung einen gemeinsam mit den Gläubigern erarbeiteten Weg geht, sind die Voraussetzungen für den Ausweg aus der Krise geschaffen. Dass diese überhaupt bewältigt wird, ist auch dann nicht gewiss.

Wie schwer es ist, die verhandelnden Parteien unter einen Hut zu bringen, zeigt alleine das Konstrukt EU: Unter den Mitgliedsstaaten sind längst nicht mehr alle bereit, der griechischen Regierung weitere Hilfen zuzusagen. Eine gemeinsame Linie zu finden, dürfte sich als schwierig erweisen.

Die Europäische Union braucht die Chance, sich neu zu definieren

Aber genau diese gemeinsame Linie muss gefunden werden. Das erste Euro-Aus eines EU-Landes hätte unvorhersehbare Folgen. Die europäische Idee muss definitiv neu definiert werden – ohne eine gemeinsame Finanzpolitik wird es in Zukunft nicht gehen. Damit die Chance auf eine Neuausrichtung aber nicht zerstört wird, müssen die Griechen im Euro bleiben. In Großbritannien warten EU-Kritiker nur darauf, bei einem Referendum gegen einen Verbleib der Briten in der EU zu stimmen. Auch andere EU-Länder sind wirtschaftlich und politisch noch nicht stabil genug – im Kampf gegen aufkommende rechte antieuropäische Parteien brauchen sie eine geeinte Europäische Union.

Mit dem Grexit träte genau das ein, was Skeptiker schon seit Beginn der Krise befürchteten: Unter anderem deutsche Hilfszahlungen wären verloren. Es scheint kaum vorstellbar, dass Griechenland nach einem Ausstieg aus dem Euro noch Schulden abzahlen würde. In jedem Fall hätten die Geldgeber große Abschläge zu erwarten.

Bild-Kampagne: Deutsche sollen Griechen-Ablehnung demonstrieren

Die Bedrohung fördert die Angst, die auch durch Medienberichterstattung weiter geschürt wird. Die Anti-Griechen-Kampagne der Bild läuft auch in diesen Krisen-Tagen. Das Boulevard-Medium trat erst gar nicht den Versuch der neutralen Berichterstattung an. Der Aufruf der Bild, ein Selfie mit einer Zeitungsseite zu machen, auf der „Nein!“ und „Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!“, spricht für sich selbst.

Auch wenn der Presserat für diese Schlagzeile eine Missbilligung und gar eine Rüge aussprach: Die Stimmung gegen die Griechen, angeblich alle gierig, wurde erfolgreich vorangetrieben. In all den Emotionen müssen die verhandelnden Parteien Sachlichkeit wahren. An einem Scheitern Griechenlands hätten allenfalls Spekulanten ihre Freude. Es steht zu viel auf dem Spiel: für Deutschland, Griechenland und Europa.

 

 

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PKW-Maut: Gerecht oder diskriminierend?

Ein Versprechen vom bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer an seine Wähler in Bayern löste die mittlerweile europaweite Debatte um die PKW-Maut aus. Zur jährlichen Tagung der CSU Anfang 2013 versprach er seiner Partei, dass die PKW-Maut eingeführt werde. Nun, zwei Jahre später, konnte der 65-Jährige mit dem Beschluss im Bundestag  einen politischen Erfolg feiern. Die Mehrheit brachten die Union und SPD zustande, die Grünen- und die Linke-Abgeordneten stimmten größtenteils dagegen.

Der Begriff „Ausländer-Maut“, der mancherorts kursiert, ist inhaltlich nicht richtig. Das Thema betrifft zwar hauptsächlich Ausländer, viel mehr geht es aber um die Autos an sich: Im Ausland zugelassene PKW´s sind betroffen. Deren Halter müssen die Maut von bis zu maximal 130 Euro leisten. Zahlen müssen die Maut ab 2016 zunächst alle Autofahrer. Allerdings erhalten die nicht betroffenen Halter eine entsprechende Vergünstigung in der KFZ-Steuer.

Mögliche Hürden: Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof

Dieser Umstand ist zugleich der Kern des Streits. Werden lediglich ausländische Fahrzeughalter für die Benutzung der Straßen zur Kasse gebeten? Nach Meinung der Gegner ist dies verfassungsrechtlich und nach Europarecht nicht zulässig – deshalb hoffen sie auf eine Ablehnung des Gesetzes spätestens durch den Europäischen Gerichtshof. Ob die PKW-Maut in der Form den Prüfungen standhält, bleibt fraglich. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist davon überzeugt, wie er bei der Bundestagsabstimmung den Abgeordneten versicherte: „Sie ist europarechtskonform, glauben Sie es endlich!“

Die meisten EU-Staaten erheben zwar eine Maut, allerdings für inländische und ausländische PKW´s. Mit dieser Form der Maut wäre Deutschland bisher alleine. Abgesehen von der Rechtmäßigkeit ist die Frage nach der Rentabilität dieses Gesetzes ebenfalls ungeklärt. Zunächst rechnete Verkehrsminister Dobrindt mit 700 Millionen Euro an Einnahmen. Eine Studie ergab dann: Es kann lediglich mit 320 Millionen Euro kalkuliert werden, wovon noch Verwaltungskosten abgingen und gar nur 80 bis 140 Millionen Euro übrig blieben.

NRW-Verkehrsminister zu aktuellinfo: Mehr LKW-Maut statt PKW-Maut

Hier setzen die Kritiker ebenfalls an: Die Einnahmen seien für den im Gegenzug folgenden Ärger mit den Nachbarländern nicht hoch genug. Diesen befürchtet vor allem der Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek (SPD), wie er im Austausch mit aktuellinfo berichtet. Der 58-Jährige brachte den Begriff „Murks-Maut“ in Umlauf. Groschek rechnet damit, dass Belgien und die Niederlande als Konsequenz ebenfalls eine PKW-Maut einführen – was dann Autofahrer in NRW besonders betreffe.

Zudem bringe die Umsetzung der Maut voraussichtlich weniger als die von Bundesverkehrsminister Dobrindt prognostizierten 500 Millionen Euro an jährlichen Einnahmen und sei damit gegenüber den benötigten Geldern für Deutschlands Straßen in Höhe von jährlich 7,2 Milliarden Euro nicht sehr bedeutend. Dennoch ist es Geld, das Deutschlands Straßen zu Gute kommt. Die Frage ist nur: Ist es in dieser Höhe den drohenden Ärger wert?

Als Lösung schlägt Groschek vor, mehr Lastkraftwagen zur Kasse zu bitten. So solle das Limit der belangten LKW´s von 12,5 Tonnen auf 7,5 oder 3,5 Tonnen herabgesetzt und die Lkw-Maut auf alle Straßen ausgeweitet werden. Damit würden die tatsächlichen Verursacher von Straßen- oder Brückenschäden belangt, so der Verkehrsminister von NRW.

PKW-Maut: CSU setzt sich gegen CDU und SPD durch

Vor der Landtagswahl im September 2013 nutzte Seehofer das Thema nochmals, um sich gegen seinen damaligen Herausforderer, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) in Position zu bringen: „Wie man etwas durchsetzt in Berlin oder Brüssel, da habe ich jetzt wirklich reichlich Erfahrung.“ Am Ende reichte es für Seehofers CSU zur absoluten Mehrheit im bayrischen Landtag.

Ob gewollt oder nicht: Seehofer hatte sich mit dem Versprechen fest gerannt: „Ich könnte aus Koalitionsverhandlungen ohne die Maut für Ausländer nicht nach Bayern zurückkommen. Mit einem Prüfauftrag ist das nicht getan“, sagte er dem Spiegel im September 2013. Zu diesem Zeitpunkt ging er auf Konfrontatiosnkurs mit den anderen Parteien.

Bundeskanzlerin Merkel: Vom Nein zum „Jein“ und zum Ja

Kanzlerin Angela Merkel schloss beim TV-Duell um die Kanzlerkandidatur im Herbst 2013 die PKW-Maut noch aus: „Mit mir wird es keine PKW-Maut geben“, sagte sie da. Später wandelte sie ihre Aussage dann um. Kein deutscher Autofahrer dürfe durch die Maut zusätzlich belastet werden, forderte Merkel später. Die CSU um Seehofer hatte ihre Druckmittel um den Fortbestand der „Union“ gut ausgespielt. Weder die CDU, noch die CSU möchten die Union aufkündigen – was die bayrische Partei aber nicht davon abhält, die Grenzen dieser Zusammenarbeit zu testen.

Nun hat der Bundestag das Gesetz beschlossen. Mit diesem hat die Kanzlerin mit ihrem nachgebesserten Versprechen, deutsche Autofahrer dürften nicht zusätzlich belastet werden, zumindest Recht behalten. Ob mit der PKW-Maut das „Kind der CSU“ aber bald schon auf festen, statt auf wackligen Beinen steht, bleibt abzuwarten. Bislang waren aus Brüssel Zweifel zu hören, aber die EU-Kommission wollte zunächst den Beschluss abwarten.

Trauriges Jubiläum: Ein Jahr Krim-Anexion

ukraine-643633_1280 (Medium)Der „Ukraine-Konflikt“ hört sich niedlich an. Eine Auseinandersetzung, ein Disput oder Meinungsdifferenzen sind aber keine Begriffe, welche die Lage in diesem Land trefflich beschreiben.

50 000 Soldaten und Zivilisten sollen während des Krieges in der Ukraine ums Leben gekommen sein. Von dieser Zahl berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.Z.) und beruft sich auf Informationen aus deutschen Sicherheitskreisen.

Die F.A.Z. war es auch, die eine Studie in Auftrag gab, welche die Schuldfrage an dem Krieg klären sollte. Für die Mehrheit der Deutschen ist Putin dieser Schuldige. 55 Prozent schreiben Russland die Schuld zu, etwa ein Drittel sehen in den pro-russischen Seperatisten die Schuldigen. Nur jeder Fünfte glaubt, dass die Ukraine der Antreiber in dem Krieg ist.

Schon lange wird Putin in den Medien als Anführer des Bösen beschrieben und als „Feind der Welt“ bezeichnet. Zusätzlich zur medialen Berichterstattung liefert die Umfrage der F.A.Z. Zahlen: Lediglich acht Prozent der Deutschen haben demnach eine gute Meinung von dem russsichen Präsidenten. Doch wie kam es zu diesem Bild? Wie kam es zur Ukraine-Krise und wer ist schuldig?

In diesem Krieg gibt es hauptsächlich vier Parteien: Russische und ukrainische Truppen sowie von Russland unterstützte Milizen und unabhängige Milizen. Diese bekämpfen sich im Osten der Ukraine. Wenn von „pro-russischen Kräften“ die Rede ist, sind zwei Gruppierungen gemeint: Die eigentlichen russischen Truppen sowie die Milizen, die zumindest im Sinne Russlands agieren.

War der Sturz des ukrainischen Präsidenten der Auslöser?

Nach Meinung Russlands ist der Putsch gegen den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch der Auslöser der Krise. Dem Sturz Janukowitschs gingen radikale Auseinandersetzungen in der Ukraine voraus. Trotz vorhandener landwirtschaftlicher und industrieller Möglichkeiten war und ist die ukrainische Wirtschaft schwach.

Hinzu kommt viel Korruption, was weder der Zufriedenheit der Bevölkerung, noch der Wirtschaftsstärke zuträglich ist. Das trieb das Land mit seinen 46 Millionen Euro mehr und mehr in Richtung einer Staatspleite. Um diese zu verhindern, ersuchte der 2010 gewählte Präsident Viktor Janukowitsch Kredithilfen beim Internationen Währungsfonds (IWF). Wie schon zwei Mal zuvor gab es aber Diskrepanzen zwischen der Ukraine und dem IWF, was die Umsetzung von Reformen angeht.

Abkehr von der EU: Ukraine nimmt 15-Milliarden-Hilfe aus Russland an

Janukowitsch lehnte die angebotenen Kredite des IWF sowie ein Assoziierungsabkommens über eine engere Partnerschaft und freien Handel mit der EU im November 2013 ab. Daraufhin besorgte die Ukraine sich 15 Milliarden US-Dollar aus Russland, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Diese Entscheidung basierte auch auf Druck Russlands. Mehr als die Hälfte der ukrainischen Exporte gehen an den russischen Nachbarn. Nach dieser Entscheidung begannen die Proteste gegen den Präsidenten Janukowitsch, unter anderem von Vitali Klitschko und Julia Timoschenko angetrieben.

Im westlichen Teil des Landes wird ukrainisch, in wenigen südöstlichen Gebieten russisch gesprochen.  Im Westen finden die Oppositionellen vermehrt Unterstützer. Die Forderungen der Protestanten werden vehementer: Anfänglich wollten diese die Beziehung zur EU lediglich verbessern, später aber den Rücktritt von Janukowitsch. Der Präsident reagiert und verschärft die Gesetze. Im Januar 2014 kommt es dann auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew (Maidan) zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei – mehrere Menschen sterben.

Beide Seiten radikalisierten sich. Die Demonstranten besetzten unter anderem Regierungsgebäude, die Polizei griff immer härter durch. Nach einem Dialog mit EU-Außenministern bot Janukowitsch den Demonstranten Straffreiheit an, sollten sie die Gebäude räumen. Janukowitsch entließ die Regierung und bot vorgezogene Präsidentenwahl an. Mit der Opposition vereinbarte er im Februar 2014 ein solches Abkommen. Der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, unterschrieb das Abkommen als Vermittler ebenfalls.

Keine Sicherheit mehr: Janukowitsch musste fliehen

Unter den Protestanten taten sich in der Folge zwei Lager auf: Die Einen akzeptierten den neuen Kurs, die Radikaleren forderten weiterhin den Rücktritt des Präsidenten. Auf dessen Anordnung hin schossen die Polizisten auf Demonstranten. Nach einem bisher nicht zuordenbaren Befehl verließen die Polizisten die Regierungsgebäude. Folglich war Janukowitsch gezwungen, zu flüchten – zu groß war die Gefahr beim gestiegenen Hass der Bürger mittlerweile. Zudem wurde der 64-Jährige nun polizeilich gesucht.

Janukowitsch erklärte noch am gleichen Tag, er sei weiterhin Präsident dieses Landes, galt aber nun als abgesetzt. Das ukrainische Parlament wählte ihn mit knapp drei Viertel der Stimmen ab. Bis heute gilt diese Abstimmung als strittig, da der vorgegebene Grund, Janukowitsch habe das Land verlassen, nicht als offizieller Grund einer Amtsenhebung vorgesehen ist. Im Oktober vergangenen Jahres erklärte Putin, Russland habe Janukowitsch bei dessen Flucht geholfen. Aufgrund dessen, dass Janukowitsch strafrechtlich gesucht wurde, sperrte die EU seine Konten.

Russische LKW für Krisengebiete: Hilfsgüter oder Trojanisches Pferd?

Für eine weitere Eskalation sorgten im August 2014 russische Hilfsgüter für die betroffenen Krisenregionen in der Ukraine. 200 beladene Lastwagen standen an der Grenze.  Die Situation erinnerte an das Trojanische Pferd aus der griechischen Mythologie: Ukrainische Sicherheitskräfte durchsuchten die Transportwagen zunächst, weil sie darin russische Soldaten oder Waffenlieferungen befürchteten.

Der Grenzübergang bei Donezk war für die Überquerung vorgesehen. Dieser war längst in der Hand von Separatisten, die allerdings ukrainischen Kräften Zutritt versprachen. Die ukrainische Regierung schickte zudem selbst einen kleineren Konvoi mit Hilfsgütern in die Krisengebiete.

Schuldfrage: Was die USA, Deutschland und die EU denken

Trotz „vieler Rückschläge“ setzt Angela Merkel weiterhin auf Verhandlungen und damit eine „diplomatische Lösung“, teilte die Bundeskanzerlin im Februar bei einem Besuch im Weißen Haus mit. Eine militärische Lösung sehe sie nicht. US-Präsident Barack Obama hingegen sprach davon, Optionen über die diplomatische Lösung hinaus prüfen zu lassen. Dennoch betonte Obama: „Falls die Verhandlungen scheitern, werden die USA und Europa weiterhin gemeinsam reagieren.“

Klar ist: Die USA, Deutschland und die EU beziehen Stellung gegen Russland, damit für die Ukraine und treiben auch mit wirtschaftlichen Sanktionen eine Lösung der Krise voran. Putin hingegen sieht die USA für die Lösung der Krise nicht zuständig. Weitere Einblicke in seine Gedanken gab er bei einer Rede im Dezember 2014. Dabei bezeichnete er die Krim für Russland als „heilig“. Die Halbinsel habe eine „große zivilisatorische und sakrale Bedeutung – jetzt und für immer.“ Ob die Sanktionen die europäische Wirtschaft nicht ebenso schlimm treffen – es brechen viele russsiche Handelspartner weg – ist eine mögliche Kritik an der Strategie der EU.

Geschichte: Ist die Krim ukrainisch oder russisch?

Bei dem Krieg muss man geschichliche Aspekte berücksichtigen. Im Osten der Ukraine stammen viele Bürger historisch bedingt aus Russland ab. Deshalb war es keine Überraschung, dass bei einer Abstimmung die Bevölkerung der Krim für eine Wiedervereinigung mit Russland stimmte. Die Rahmenbedingungen dieses Referendums schienen aber nicht demokratisch: Ausländische Journalisten wurden bedrängt, das Wahlergebnis wurde international nicht anerkannt und selbst Berater Putins gaben zu, dass die Wahl gefälscht wurde.

Als Friedensabkommen von Minsk wurden zwei Versuche (letzterer im Februar diesen Jahres) bekannt, die von europäischen Außenministern und Vertretern aus der Ukraine und Russland unternommen wurden. Darin vereinbarten die Verhandlungspartner unter anderem Waffenruhe, die in diesem Jahr von den Russen bereits kurz nach der Unterzeichnung gebrochen wurde.

Unabsehbar bleibt der Ausgang der Krise. Die militärische Lage ist derzeit relativ ruhig. Dennoch spielen von der instabilen ukrainischen Regierung, der Gasversorgung der Russen bis hin zu einem Atomkrieg viele Faktoren eine bedrohliche Rolle. Auch die bisweilen schleierhaften Absichten Putins und sein möglicher Willen, weitere Gebiete der Ukraine zu annektieren, können jederzeit zu einer Verschärfung der Krise führen.

 

 

Weiterführende Quellen:

Ist die Berichterstattung in der Krise einseitig? Dieser Frage geht Hannah Beitzer für die Süddeusche Zeitung nach:

http://www.sueddeutsche.de/politik/berichterstattung-ueber-die-krim-krise-blick-aus-der-blase-1.1914499

Selten sind präzise Aussagen Putins zur Annexion der Krim zu lesen. Im vergangenen Dezember äußerte er sich aber in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation detaillierter. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete:

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/putin-krim-so-heilig-wie-der-tempelberg-13301910.html

Auf dem Youtube-Kanal „explainity einfach erklärt“ werden vor allem die historischen Belange um die Krim verdeutlicht:

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten bezeichnen die Sanktionspolitik der EU als falsche Strategie:

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/03/22/falsche-strategie-sanktionen-treffen-eu-haerter-als-russland/

Welche Interessen Putin an der wirtschaftssschwachen Krim haben könnte, versucht das Handelsblatt zu erörtern:

http://www.handelsblatt.com/politik/international/wenn-sie-es-genau-wissen-wollen-was-will-putin-auf-der-krim/9618688-4.html

DIE ZEIT nennt und erläutert die bisherigen Sanktionen der EU:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-01/europaeische-union-russland-sanktionen-ukraine-verlaengerung

 

Bosbach: „Die Entscheidung fällt in Athen“

Portrait Bosbach (Medium)

Wolfgang Bosbach (CDU) ist seit 2009 Vorsitzender im Innenausschuss des Deutschen Bundestags. Zuvor war der 62-Jährige stellvertretender Vorsitzender der Union. Der Rheinländer lehnte die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms 2011 im Bundestag ab. Daraufhin wurde er von seinem damaligen Parteikollegen Ronald Pofalla angegangen. „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“, soll ihm dieser laut Spiegel gesagt haben.

Für aktuellinfo.com spricht Bosbach darüber und über die derzeitigen Probleme der neuen griechischen Regierung.

Herr Bosbach, warum gelingt Griechenland nicht die Wende? Handelt es sich eher um eine falsche Hilfspolitik seitens der EU oder um mangelnde Bereitschaft der Griechen?

Wolfgang Bosbach: „Griechenland fehlt es ganz sicher nicht am politischen Willen,  die Wende zum Besseren zu schaffen. Griechenland fehlt es zum einen an einer hinreichenden leistungs- und wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft und zum anderen an einer wirklich effizienten Verwaltung des Staates – und das gilt nicht nur für die Steuerverwaltung.
Ein Beispiel: Wenn Griechenland Jahr für Jahr Millionenbeträge, die seitens der EU für den Ausbau der Infrastruktur oder die Entwicklung der ländlichen Räume – umgangssprachlich formuliert – liegen lässt, weil es an förderwürdigen Projekten fehlt, dann hat das nichts mit einer falschen Hilfspolitik seitens der EU zu tun, sondern mit einer dringend optimierungsbedürftigen Effizienz staatlicher Institutionen.“

Wie sähe Ihre Lösung für die Schuldenkrise Griechenlands aus?

Bosbach: „Eine Krise, die durch Überschuldung entstanden ist, kann man nicht dadurch lösen, dass man dem Schuldner immer neue, beziehungsweise höhere Kredite gewährt, mit der Folge, dass sich der Schuldenstand und damit die Schuldenlast weiter erhöht. Im Übrigen: Die Entscheidung, ob Griechenland auf Dauer in der Eurozone bleiben möchte oder bleiben kann, fällt weder in Brüssel noch in Berlin, noch in den anderen Hauptstädten der Eurozone. Diese Entscheidung fällt ganz alleine in Athen.“

Sie sind bekennender Nein-Abstimmer für Griechenland-Hilfen. Wie sehr hat Sie der raue Ton und Gegenwind in der eigenen Partei schockiert?

Bosbach: „Die Behauptung in Ihrer Frage ist nicht ganz richtig. Dem ersten Hilfspaket für Griechenland habe ich – im Gegensatz zu einigen anderen Kolleginnen und Kollegen – zugestimmt. Dies in der Annahme, dass folgender Plan aufgehen würde: Die Eurozone hilft Griechenland bei der Überwindung seiner finanziellen Schwierigkeiten, gleichzeitig reformieren sich die griechische Wirtschaft und der griechische Staat so durchgreifend, dass das verloren gegangene Vertrauen der Finanzmärkte wieder zurückgewonnen werden kann.
Dieser Plan ist nicht nur nicht aufgegangen, die Probleme in Griechenland sind noch größer geworden. Daher konnte ich dem zweiten Hilfspaket und dessen Verlängerung nicht mehr zustimmen. Wenn man über 40 Jahre politisch arbeitet und gut 20 Jahre dem Deutschen Bundestag angehört, dann kann einen nichts mehr schockieren. Auch nicht raue Töne und Gegenwind aus der eigenen Partei.“

Während hier über mögliche Lösungen debattiert wird, sind von Alexis Tsipras weitere teure Versprechen für sein Land zu hören. Wie viel hält die EU  in dieser Streit-Frage noch aus?

Bosbach: „Wir haben schon viel ausgehalten und ich gehe davon aus, dass wir auch in Zukunft noch viel aushalten müssen. Die politische Strategie der neuen griechischen Regierung beobachte ich wirklich mit großem Interesse. Bis zur Stunde ist mir allerdings noch nicht einmal andeutungsweise klar geworden, wieso die Regierung ernsthaft glauben kann, dass dieser Kurs am Ende den erhofften Erfolg haben wird.
Wenn das Trio Tsipras/Varoufakis/Kammenos der griechischen Bevölkerung neue, teure Versprechen macht, dann habe ich das als deutscher Politiker weder zu kommentieren noch zu kritisieren, das müssen die Herren selbst verantworten. Allerdings kann die neue griechische Regierung nicht ernsthaft erwarten, dass ihre Wahlversprechen von den Steuerzahlern aus anderen Ländern finanziert werden.“

Kann es Griechenland unter dieser Regierung schaffen?

Bosbach: „Die Frage, ob Griechenland es unter dieser Regierung „schaffen“ kann, ist eine gute Frage – die ich nicht abschließend beurteilen kann. Wenn die Regierung den bis jetzt eingeschlagenen Kurs konsequent fortsetzt, dann dürfte sich meine Skepsis weiter vergrößern.“

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Foto: Manfred Esser

Ex-Verfassungsrichter: TTIP „rechtlich nicht hinnehmbar“

   DSC_2028 (Medium)

Siegfried Broß war Richter am Bundesgerichtshof und bis 2010 Richter am Bundesverfassungsgericht. Mit seinen Klauseln verstoße TTIP gegen die deutsche Verfassung sowie EU-Recht, kritisiert der Jurist im Interview mit aktuellinfo.com.

 

 

 

Herr Broß, birgt das geplante Freihandelsabkommen mehr Chancen oder Risiken für die EU und Deutschland?

Siegfried Broß: „Das kann man nicht absehen. Die Betrachtung unter diesem Aspekt ist auch schief, denn das geplante Freihandelsabkommen geht darüber hinaus, was man unter Freihandel versteht. Es geht da nicht nur um Chlorhühner oder gleiche Rückspiegel. Es wird erheblichen Einfluss nehmen und das an der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, der EU und der anderen Vertragsstaaten vorbei. Es ist schlicht ein Verstoß gegen das Demokratie- und Rechtsstaatprinzip. Es ist für Deutschland und die EU verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. So kann das Abkommen nicht abgeschlossen werden.“

Was kritisieren Sie konkret?

Broß: „Die Öffentlichkeit wird nicht korrekt informiert. Vor ein paar Wochen noch haben die Chefs der großen Automobilhersteller gesagt, man brauche das Freihandelsabkommen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei weiß jeder Laie: Wenn ich eine Produktpalette verschlanke, brauche ich viel weniger Produktionsstraßen und damit weniger Arbeitsplätze. Außerdem ist ein Freihandelsabkommen dieser Struktur immer mit Lohndumping verbunden.“

Sie kritisieren außerdem die nicht-öffentlichen Schiedsgerichte. Gäbe es eine zufriedenstellende Lösung für dieses Problem?

Broß: „Staatsschiedsgerichte sind die Lösung. Ähnliche Gerichte gibt es mit dem Seegerichtshof in Hamburg oder dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag bereits. Vertragliche Vereinbarungen zwischen Staaten sollten nicht ad-hoc und nicht geheim, sondern transparent gemacht werden. Private Schiedsgerichte auf der Völkerrechtsebene, auf der sich ausschließlich Staaten als taugliche Akteure bewegen, liegen jenseits meiner Vorstellungskraft.“

Vertreten die Verhandlungspartner seitens der EU unsere Standards ausreichend oder droht uns eine Überschwemmung amerikanischer Produkte?

Broß: „Wenn ich mit falschen Kategorien herangehe, kann nie etwas bei rauskommen. In Deutschland und der EU haben wir das Sozialstaatsgebot. Diese Elemente werden aber völlig ausgeblendet, es wird rein ökonomisch gedacht – und das auch noch schief, wie mein Beispiel aus der Automobilbranche zeigt. Mit solchen Freihandelsabkommen sollen die Menschen wirtschaftlich gemacht werden. Sie können das einem Rechtsstaat aber nicht einfach drüber stülpen. Man hätte vor den Verhandlungen zunächst ein Ziel definieren, den Rahmen abstecken und dann abklären müssen, ob das mit der Verfassung vereinbar ist.“

Wie schätzen Sie den weiteren Verlauf der Verhandlungen ein? Wird es zu einer für die EU-Bürger und deutschen Bürger zufriedenstellenden Lösung kommen, die mehr Vorteile, als Nachteile bringt?

Broß: „Wenn die derzeitige öffentliche Diskussion intensiv weiter laufen wird, bin ich davon überzeugt. Das Ganze, was jetzt auf dem Tisch liegt, muss sachgerecht modifiziert werden. Schon mit geringen Änderungen kann man das stimmig machen. Wenn das Abkommen aber scheitert, machen die Amerikaner das mit China. Was ich zu beanstanden habe, betrifft die Menschen nicht nur in der EU, sondern auch in den USA. Eine Fehlvorstellung ist, dass es bei dem Abschluss solcher Abkommen um einseitige Vorteile einzelner Vertragspartner geht. Das kann ich mit den hier zugrunde gelegten Vereinbarungen aber nie erreichen und das widerspricht auch dem Geist solcher Verträge an sich.“

 

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Deal zwischen EU und USA rückt näher

Dass die USA und die EU über ein Freihandelsabkommen verhandeln, haben viele deutsche Bürger mittlerweile mitbekommen. Wer da aber was genau verhandelt, ist – auch aufgrund der mangelnden Transparenz – nur schwer nachzuvollziehen.

TTIP: Neue Wirtschaftskraft oder Verlust der eigenen Kultur?

Im vergangenen Sommer begannen die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen, TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) genannt. Konkret geht es um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen der EU und den Vereinigten Staaten, der die Märkte mitsamt ihren Gesetzen und Vorschriften näher zusammen bringen soll. Der Freihandel soll gestärkt und Investitionen geschützt werden.

Die Befürworter versprechen sich vor allem finanzielle Vorteile, die Kritiker befürchten den Verlust der eigenen Kultur. Hinter den mittlerweile acht Verhandlungsrunden steckt viel Undurchsichtiges. Bereits vor der ersten Verhandlung nahmen Lobbyisten bei Treffen mit den Zuständigen der EU-Kommission Einfluss.

Wie stark profitiert die Wirtschaft wirklich?

Über die wirtschaftliche Vorteile von TTIP lässt sich streiten. Erst jüngst musste der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) zugeben, falsche Angaben über zu erwartende Gewinne gemacht zu haben. So soll das Wirtschaftswachstum der EU nicht jährlich rund 100 Milliarden Euro einbringen, sondern in einem Zeitraum von zehn Jahren erreicht werden.

„Wenn die TTIP-Befürworter bei der Wahrheit bleiben, fallen die zu erwartenden wirtschaftlichen Effekte des Abkommens zusammen wie ein Soufflé im Ofen“, sagte Foodwatch-Chef Thilo Bode im Spiegel dazu. Bode veröffentliche mit seinem Buch „Die Freihandelslüge“ ein Projekt, das TTIP stoppen soll. „TTIP hebelt die Demokratie aus“, kritisiert der 68-Jährige.

Private Schiedsgerichte: Kritiker befürchten geheime Verhandlungen

Damit spricht er unter anderem auf die nicht-öffentlichen Schiedsgerichte an. Geplant ist, dass ausländische Unternehmen in Streitfällen vor diesen privaten Schiedsgerichten klagen können. Eigentlich sollen die Investitionen ausländischer Unternehmen damit vor unfairen Handlungen (bspw. Verstaatlichung von Eigentum) geschützt werden – der Missbrauch dieser Möglichkeit durch viele hohe Schadenersatzklagen wäre eine mögliche negative Folge.

Als großer Kritiker dieser Planung zeigt sich Siegfried Broß. Für den ehemaligen Verfassungsrichter verstoßen solche Regelungen gegen die deutsche Verfassung sowie EU-Recht. Im Interview mit aktuellinfo.com spricht er sich deshalb für öffentliche staatliche Schiedsgerichte aus: „Vertragliche Vereinbarungen zwischen Staaten sollten nicht ad-hoc und nicht geheim, sondern transparent gemacht werden.“

Bislang beharrte Vizekanzler Sigmar Gabriel auf der Position, dass Investitionen nicht geschützt werden müssten. Kürzlich aber kam die Kehrtwende: Gabriel bezeichnete „besondere Schiedsverfahren“ als „sinnvoll“. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel drückt auf das Gaspedal. Man müsse mit „Haut und Haaren, mit Elan und wirklicher Überzeugung“ verhandeln, sagte sie beim CSU-Parteitag im Dezember vergangenen Jahres.

Chlorhühnchen: Ein Symbol der Kritiker

Dabei versuchte die Kanzlerin, den Kritikern eine große Angst zu nehmen: „Es wird nicht ein einziger europäischer Standard verraten und abgemildert“. Bei diesem Punkt werden in der Debatte gerne die „Chlorhühnchen“ genannt. Während in Amerika Hühnerfleisch zum Teil mit Chlor desinfiziert wird, ist das im EU-Raum nur schwer vorstellbar.

Tatsächlich stecken hinter den Chlorhühnchen Bedenken der Europäer, dass amerikanische Produkte mit geringeren Hygienestandards den hiesigen Markt überschwemmen. Abgesehen davon wird – Stand jetzt – der Import solcher Hühner nicht stattfinden.

Daimler-Chef Zetsche: „Europa braucht TTIP“

Was sich negativ anmutet, hat auch seine Vorteile. Dadurch, dass Zölle und Beschränkungen abgebaut würden, soll der Handel angekurbelt werden. Unternehmen aus den USA könnten ihre Produkte verstärkt im EU-Raum vertreiben und anders herum. Laut einem Bericht der Südwest Presse kosten die Zölle die deutsche Autoindustrie jährlich eine Milliarde Euro. Von deren Wegfall verspricht sich Daimler-Chef Dieter Zetsche deshalb „mehr Export, mehr Beschäftigung und mehr Wohlstand“ und bilanziert: „Europa braucht TTIP.“

Die nächste Verhandlunsrunde zwischen der EU und den USA ist im April. Bis Ende des Jahres wollen die Verhandlungspartner das transatlantische Freihandelsabkommen abschließen.

 

Weiterführende Quellen:

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow belegt fünf Mythen über TTP:

http://blog.marco-buelow.de/2014/12/08/funf-mythen-uber-die-freihandelsabkommen-ttip-und-ceta/

Lobbypedia listet die Ergebnisse und Inhalte der bisherigen Verhandlungsrunden (mit Quellen):

https://www.lobbypedia.de/wiki/Chronik_der_TTIP-Verhandlungen

Für die Frankfurter Allgemeine haben Ralph Bollmann und Lisa Nienhaus einen sehr ausführlichen und lesenswerten Beitrag geschrieben. Die beiden Autoren untersuchen in einer Art Chronik unter anderem die mediale Berichterstattung und Protestbewegungen rund um TTIP:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ttip-und-freihandel/freihandelsabkommen-eu-usa-chronik-des-anti-ttip-protests-13442387.html

Stellungnahmen der Bundeskanzlerin sowie offizielle Ziele in den TTIP-Verhandlungen sind auf der Webseite der Bundesregierung zu lesen:

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Infodienst/2014/05/2014-05-20-ttip/2014-05-20-ttip-richtig-verstehen.html

Griechenland-Krise: Zwischen Vertrauen und Kontrolle

Seit 2010 beschäftigt die Griechenland-Krise Europa und den Euro (Chronik siehe unten bei „Weiterführende Quellen„). Rund 320 Milliarden Euro Schulden machen den griechischen Staat europaweit zum verschuldetsten Land. Nach Rettungspaketen, Regierungswechsel und radikalen Äußerungen in der Politik ist das Thema für die Bürger undurchsichtiger denn je. Bei Unwissen beherrschen vielerorts polemische Argumente die Debatten.

Tsipras vor der Wahl: Keine Sparreformen mehr

Der griechische Ministerpräsident Alex Tsipras steht zwischen den Stühlen. Der Vorsitzende der linken Partei Syriza gab vor der Wahl teure Versprechen: Einen teilweisen Schuldenerlass für sein Land, neue Jobs im öffentlichen Sektor und mehr Geld für Rentner mit geringem Einkommen. Nun muss er diese Vorhaben verteidigen, ist aber gleichzeitig in Verhandlungen auf das Wohlwollen der EU und auch Deutschlands als Hauptgeldgeber angewiesen.

Nun signalisierten beide Seiten Entgegenkommen: Die Griechen wollen die Reformen einhalten, dafür wurde das zweite Hilfsprogramm bis Juni verlängert. Kurz vor der Abstimmung um die Finanzhilfen Ende Februar im deutschen Bundestag fasste Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Stimmung in Worte: „Es ist eine Entscheidung, die keinem Abgeordneten leicht fällt.“ Dennoch fand sich bei der Abstimmung die bisher größte Mehrheit aller Beschlüsse zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise.

Problem: Kreditzinsen und schwache Wirtschaft

Nach einem Bericht von Stefan Kaiser im Spiegel sind gerade die Hilfskredite der internationalen Geldgeber das Problem. Zu den Schulden kommt die Zinslast: 360 Millionen Euro an Zinsen zahlte Griechenland von 2010 bis 2014 an Deutschland. Diese Zahl nannte das Finanzministerium auf Anfrage der Linken im Bundestag.

So gelte es „mittlerweile als utopisch, dass Griechenland seine Schulden bis zum Jahr 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung senken“ könne, urteilt Kaiser für den Spiegel. Derzeit betragen die Verbindlichkeiten 175 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Lösung: Hilfspaket, Schuldenschnitt oder Sparmaßnahmen

Als mögliche Lösung schwebt weiterhin der Schuldenschnitt, den Tsipras seinen Wählern versprochen hat, im Raum. Nach Widerstand der Geldgeber schlägt der griechische Premier eine andere Form vor: Die Kredite der Griechen sollen in Anleihen für die Geldgeber umgewandelt werden. Je nachdem, wie gut die griechische Wirtschaft läuft, erhalten die Geldgeber demnach dann anteilig Zinsen.

Schäuble besteht hingegen auf die Einhaltung der Sparmaßnahmen: „Herr Tsipras ist im Wort. Wenn Griechenland sich nicht daran hält, wird es keine weiteren Hilfen geben.“ Das gelte auch für ein mögliches drittes Hilfspaket im Sommer: „Ob Griechenland weitere Hilfen braucht, wird man sehen, wenn das zweite Programm beendet ist. Egal was kommt, wir werden sehr strenge Maßstäbe anlegen.“ Weitere Hilfspakete lehnt Tsipras allerdings ab: „Das griechische Volk hat die Programme abgewählt.“

 

Weiterführende Quellen:

Eine Chronik: Die Zeit nennt Aussagen, Beschlüsse und Streitpunkte zur Griechenland-Krise

http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-09/chronologie-eurokrise

In einer interaktiven Grafik stellt der Spiegel Szenarien eines Griechenland-Ausstiegs aus dem Euro dar:

http://www.spiegel.de/flash/flash-28752.html

Die Haltung der Griechen und die der Geldgeber fasst der Spiegel zusammen:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-was-regierung-und-geldgeber-wirklich-wollen-a-1021484.html

Die Folgen der Äußerungen von Tsipras sowie die Wahrscheinlichkeit eines Griechenland-Ausstiegs aus dem Euro führt Die Welt auf:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article138151011/Tsipras-hat-Griechenland-vollkommen-isoliert.html