Wenn Polizisten morden

Einer barbarischen Hinrichtung gleicht die Tat von Michael Slager. Der US-Polizist verfolgt den unbewaffneten Walter Scott durch einen Park und schießt ihm acht Mal in den Rücken. Scott bricht zusammen. Als der 50-Jährige regungslos auf dem Boden liegt, ruft der Polizist: „Hände auf den Rücken!“ Daraufhin legt er dem Sterbenden Handschellen an.

Ein hinzugekommener Kollege durchsucht den Liegenden mit Handschuhen, Slager fühlt dessen Puls – erste Hilfe leistet keiner der beiden Polizisten. Und so trifft es die taz mit ihrer Überschrift auf den Punkt: „Wie ein erlegtes Wild am Boden“. Die Szene wurde durch einen Handy-Film aufgezeichnet, der Täter überführt.

Verkehrskontrolle: Opfer fürchtete wohl Festnahme

Mit einer simplen Verkehrskontrolle hatte das Unheil am vergangenen Wochenende in North Charleston angefangen. Slager wartete vor dem Mercedes von Scott darauf, dass ihm dieser die Papiere zeigte. Sein Sohn Walter habe Angst gehabt, wegen nicht gezahlter Allimente für seine vier Kinder verhaftet zu werden, schätzt sein Vater nun. Der 50-Jährige flieht und wird von dem Polizisten in einem Park eingeholt, es kommt zu einer Rauferei.

Nun beginnt die grausame Szenerie: Nach einem Handgemenge joggt Scott davon. Slager schießt ihn nieder. Der 33-Jährige entscheidet sich daraufhin, seine ganz eigene Geschichte der Tat zu schreiben. Er „fühlte sich bedroht“, gab er zu Protokoll. Scott habe ihm außerdem seinen Teaser, einen Elektro-Schocker, entrissen. Nach den Schüssen habe er erste Hilfe geleistet.

Beängstigend: Polizist wäre ohne Video nicht aufgeflogen

Das Video, das ein Passant machte, sorgte für die Richtigstellung und deckte die Lüge auf. Gleichzeitig wirft der Fall Fragen auf: Wäre der Polizist ohne das Video ungestraft davon gekommen? Sind Opfer von Polizeigewalt den Ausführungen der Täter ohne zufällige Video-Beweise schutzlos ausgesetzt?

Dieser dramatische Vorfall reiht sich in eine aktuelle Diskussion in den USA ein. Ein Vorort von St. Louis, Ferguson, ist durch einen ähnlichen Fall bekannt geworden. Dort erschoss ein weißer Polizist einen schwarzen Unbewaffneten im Alter von 18 Jahren. Nach Polizeiangaben handelte der Polizist in Notwehr – mehrere Zeugen berichteten aber davon, dass der Erschossene zuvor mit erhobenen Händen „Don´t shoot“ gerufen haben soll.

Problem: Dunkelhäutige sind in der Polizei unterrepräsentiert

In der Folge gab es Proteste mit gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei.  Auch gab es andere Fälle in den USA, in denen weiße Polizisten auf schwarze, unbewaffnete Männer schossen. Oft gibt es dabei einen weiteren Aspekt, der den Vorwurf – dass die Schüsse willkürrlich abgesetzt wurden – weiter verstärkt.

So merkt Sabrina Fritz in ihrem Bericht für die Tagesschau an: “ Die Stadt North Charleston hat 100.000 Einwohner. Rund die Hälfte davon ist schwarz. Doch bei der Polizei sind die Verhältnisse anders. Dort sind nur knapp 20 Prozent der Polizisten Afroamerikaner.“ Ein Umstand, den es in noch stärkerer Ausprägung in Ferguson gibt.

Bruder des Toten: „Verlangen nun eine vollständige Aufklärung.“

Ein Bruder des nun im Park von North Charleston ermordeten Walter Scott stellt klar: „Nicht alle Polizisten sind schlecht. Aber es gibt schlechte. Und wir verlangen nun eine vollständige Aufklärung.“ Bei einer Verurteilung drohen Slager eine lebenslange Haft oder die Todesstrafe.

Slager hat nicht nur die 343 Polizisten seiner Abteilung in Verruf gebracht. Seine Tat verschärft die Diskussion um rassistische Polizisten und lässt das Vertrauen weiter sinken. Für die Polizei wird die Aufgabe der Klarstellung und Vertrauensrückgewinnung nicht einfacher.

Lösung der Probleme schwierig: Ungleichheit und mangelnde Beweise

Es gibt viele gute Polizisten. Es gibt auch Videos davon und von Polizisten, die den Bürgern nahe scheinen. Anfang des Jahres veröffentlichte die Polizeistation von Dover ein Video, in dem man ein Polizisten zu Taylor Swifts Song „Shake it off“ singen hört. Der Mann wurde zum Internet-Star und sollte die Polizei menschlicher erscheinen lassen. Nun sorgte erst Video dafür, dass ein Polizist mit seinen perfiden Handlungen überführt wird.

Genau dieser und die anderen Fälle sind ein Warnsignal. Handelt es sich um ein flächendeckendes Rassimus-Problem unter Polizisten, muss agiert werden. Die Lösung der Probleme wird schwierig werden. Eine allzu große Ungleichheit zwischen einer überwiegend schwarzen Bevölkerung und einer überwiegend „weißen Polizeistation“ muss offensichtlich beseitigt werden.  Zu Beginn sollte aber Eines feststehen: Die Fälle müssen transparent und lückenlos aufgeklärt werden.

AKTUALISIERUNG:

Heute wurde ein erneuter Fall aus den USA bekannt. Ein weißer Hilfssheriff erschoss vor wenigen Tagen bei einer Festnahme in Oklahoma den dunkelhäutigen und unbewaffneten Eric Harris (44). Der Cop, Robert Bates (73), verwechselte nach eigenen Angaben seinen Elektroschocker mit einer Pistole.

Zuvor war Harris verfolgt und festgenommen worden, weil er einem verdeckten Ermittler eine Waffe verkaufen wollte. Der vorbestrafte Harris war bei der Verfolgung aber unbewaffnet. Der Vorfall wurde durch Kameras in den Sonnenbrillen der Hilfssheriffs aufgezeichnet. Darin ist zu hören, wie Bates direkt nach dem Schuss ruft: „Ich habe auf ihn geschossen. Es tut mir leid.“

Der Angeschossene lebt noch und schreit: „Er hat auf mich geschossen. Oh mein Gott.“ An der Lage ändert es nichts: Weiterhin wird Harris von mehreren Cops auf den Boden gedrückt – einer drückt dessen Kopf mit seinen Knien gar auf den Asphalt. Später stirbt Harris.

Der zuständige Polizeichef, Jim Clark,  nimmt seinen Polizisten in Schutz und spricht von einer Drucksituation: „Du kannst jemanden trainieren, so viel du willst und ihn versuchen, auf jegliche Situationen vorzubereiten – aber im entscheidenden Augenblick hilft dir das Training auch nicht weiter.“ Warum der Polizeichef die Festnahme eines Unbewaffneten als Situation einschätzt, für die selbst Training nichts helfe, wurde nicht bekannt.

 

Weiterführende Quellen:

Von einem Fall von Polizeigewalt Anfang März berichtet der Stern:

http://www.stern.de/panorama/polizeigewalt-in-den-usa-cops-erschiessen-schwarzen-obdachlosen-in-los-angeles-2177038.html

Ein weiterer Fall von 2015, dokumentiert vom Stern:

http://www.stern.de/panorama/texas-us-polizisten-erschiessen-17-jaehrige-video-dokumentiert-tat-2169949.html

Kritisch geht Dorothea Hahn in ihrem Bericht für die taz mit den US-Polizeibehörden um:

http://www.taz.de/!157789/

Der Polizist Slager sei schon einmal wegen übermäßiger Gewalt gegen einen Schwarzen aufgefallen, berichtet der Stern:

http://www.stern.de/panorama/michael-slager-erschoss-schwarzen-pikante-details-ueber-vergangenheit-in-north-charleston-aufgetaucht-2186023.html

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